Leichtathletik-Legenden: Zwei vom selben Tag

Vor genau 100 Jahren kamen in Tschechien die legendären OlympiasiegerInnen Emil und Dana Zátopek zur Welt. Eine Ausstellung erinnert an sie.

Kurator Dvorak mit Bildern von Zatopek.

Kurator und Historiker Pavel Dvořák will „viele Aspekte des Lebens beider Persönlichkeiten abbilden“ Foto: Thomas Purschke

KOPŘIVNICE taz | Emil Zátopek erblickte in der nordmährischen Kleinstadt Kopřivnice als siebtes von insgesamt acht Kindern das Licht der Welt. Im Laufe seiner Karriere stellte er insgesamt 18 Weltrekorde auf und gewann fünf Olympiamedaillen, davon viermal Gold. Als erster Mensch auf der Welt lief er die 10-Kilometer-Strecke unter 29 Minuten, sowie mehr als 20 Kilometer in einer Stunde.

Bei den Olympischen Spielen 1952 in Helsinki gewann er, der bereits 1948 in London Olympiasieger über 10.000 Meter wurde und über 5.000 Meter Silber hinter Gaston Reiff (Belgien) holte, im Alter von fast 30 Jahren innerhalb von nur acht Tagen die 10.000 Meter und die 5.000 Meter vor Alain Mimoun (Frankreich) und dem westdeutschen Herbert Schade aus Solingen, mit dem Emil und seine Frau Dana bis zum Tode eng befreundet waren. Nur eine Stunde nach Emils Triumph gewann Dana Ingrová Oympiagold im Speerwurf. Und zum krönenden Schluss gewann Emil Zátopek den Marathonlauf. Es war sein allererster Marathonwettkampf überhaupt.

Seine Erfolge ließen ihn zum National­helden werden. Nie wieder gelang es einem Läufer bei Olympia, dieses einzigartige Triple zu erreichen. Bei seinen dritten und letzten Spielen 1956 in Melbourne konnte Zátopek nach einem Leistenbruch nur im Marathon starten, wo er Sechster wurde. Sein Motto: „Auf der Aschenbahn waren wir Gegner, danach meist gute Freunde. Die Freundschaft steht höher als all die Medaillen und ­Diplome.“

Erfolgreich wurde Zátopek durch sein Talent – erst spät mit 18 Jahren ­bestritt er seinen ersten Laufwettkampf –, seine enorme Willensstärke und Trainingshärte, seinen unorthodoxen Laufstil, mit schmerzverzerrtem Gesicht, wackelndem Kopf und weit ausladenden Armbewegungen, was ihm die Charakterisierung „tschechoslowakische Lokomotive“ einbrachte. Tatsächlich hat die tschechische Eisenbahn Jahrzehnte später eine Lok nach ihm benannt.

Vorzeigefigur

Er wurde vom kommunistischem Regime als Propaganda-Vorzeigefigur benutzt und hat sich, so ehrlich muss man schon sein, auch gerne benutzen lassen. Er wurde bis zum Sport-Oberst in der Armee befördert. Als er aber 1968 gegen den Einmarsch der Sowjetarmee und weiterer Warschauer-Pakt-Staaten auf dem Prager Wenzelsplatz protestierte, hatte das nach der blutigen Niederschlagung des Prager Frühlings auch für ihn schwere Konsequenzen. Er wurde aus der Kommunistischen Partei (KP) und aus der Armee ausgeschlossen und musste mehrere Jahre im Brunnenbau schwerste körperliche Arbeit verrichten.

Für das Ehepaar Zátopek war es die dunkelste Zeit in ihrem Leben. Die Ostblock-Medien, besonders die in der DDR, verteufelten Zátopek als Konterrevolutionär. Erst durch die Hilfe seines westdeutschen Freundes Herbert Schade konnte er erstmals wieder in den Westen reisen – zu den Olympischen Spielen 1972 nach München. Viele weitere Reisen in die Bundesrepublik folgten. Bis zum Zusammenbruch des Regimes 1989 wurde er vom Staatssicherheitsdienst StB überwacht, wie Akten belegen.

In der mährischen Urheimat von Dana und Emil, beide liegen auf dem Ehrenfriedhof im rund 30 Kilometer von Kopřivnice entfernten Rožnov pod Radhoštěm, gibt es zu ihrem gemeinsamen 100. Geburtstag viele Gedenkveranstaltungen, darunter mehrere Volksläufe, natürlich auch für Kinder. Im Stadtmuseum in Kopřivnice ist Anfang August eine neue Dauerausstellung zum berühmten Landesehepaar Dana und Emil Zátopek eröffnet worden. Kurator Pavel Dvořák, ein studierter Historiker, hat versucht, „viele Aspekte des Lebens beider Persönlichkeiten abzubilden“. Beeindruckt habe ihn, dass Emil und Dana, im Gegensatz zu vielen heutigen Sportidolen, immer bescheiden geblieben sind.

Schwejkscher Humor

Verkaufen konnten auch sie sich gut. Beide beherrschten mehrere Fremdsprachen, was sie zu beliebten Interviewpartnern in aller Welt machte. Emil sorgte mit seinem ausgeprägten schwejkschen Humor für viele Lacher: „Dana und ich sind nicht nur am gleichen Tag geboren und haben 1952 in Helsinki am gleichen Tag eine olympische Goldmedaille gewonnen. Wir haben sogar am gleichen Tag geheiratet, im Jahr 1948, nach den Spielen von London.“

Als Eheleute bewohnten sie ein Haus am Stadtrand von Prag in Troja. Nur Kinder hatten sie keine, was mit einer schweren Infektionserkrankung von Dana in den Nachkriegsjahren ­zusammenhing.

Nach der Samtenen Revolution im November 1989 wurde Zátopek spät rehabilitiert. Am 21. November 2000 starb er im Alter von 78 Jahren. Dana, die 2016 noch ein über 400 Seiten starkes Buch über das gemeinsame Leben mit Emil herausbrachte, starb 2020 im Alter von 97 Jahren. In einem Interview im September 2016 äußerte sie sich noch zum aktuellen Sportgeschehen – begeistert, aber auch skeptisch: „Ich habe mit Begeisterung die Sommerspiele in Rio im TV verfolgt und muss sagen: Der Sport als Kern der Spiele sollte dabei im Mittelpunkt stehen. Wir müssen heute umso mehr aufpassen, damit der Sport nicht zu einer Zirkusveranstaltung verkommt.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.