Steigende Energiepreise: Gaspreise deckeln, aber wie?

Die Europäische Kommission prüft nun doch einen Gaspreisdeckel. Laut Experten würde dieser Verbraucher entlasten und die Inflation dämpfen.

Zentrum der Engergiemacht: Die Gazprom-Zentrale in St.Petersburg Foto: DmitriLovetsky/ap

BERLIN taz | Angesichts der sich zuspitzenden Lage an den Energiemärkten prüft die Europäische Kommission nun doch Maßnahmen, um den Gaspreis zu deckeln. So gibt es zum einen die Möglichkeit, sich auf einen gemeinsamen Einkaufspreis für russisches Gas zu verständigen, wie aus einem internen Papier hervorgeht, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Eine andere Option ist demnach, den Preis an europäischen Handelsplätzen zu deckeln.

Vor allem mit der zweiten Option könnten als Notmaßnahme weitere Preissteigerungen verhindert werden. Die erste könnte vor allem dazu führen, die Einnahmen des russischen Staates durch Energiegeschäfte zu begrenzen.

Der zweite Vorschlag zielt darauf ab, den Gaspreis im Großhandel in EU-Regionen zu deckeln, die besonders von russischen Lieferunterbrechungen und hohen Preisen betroffen sind – zum Beispiel in Mittel- und Osteuropa inklusive Deutschland. Die Deutschen sind innerhalb der EU weiterhin die Hauptabnehmer für russisches Gas.

In Berlin hatte sich die Ampelkoalition bei ihrer Marathonsitzung am Wochenende darauf verständigt, lediglich einen Preisdeckel für Strom einzuführen – zunächst auf europäischer Ebene, und falls das nicht klappt eben im nationalen Alleingang. Doch für den eigentlichen Treiber der Energiepreise, nämlich das Gas, soll es vorerst keinen Deckel geben. Obwohl die Sozialdemokraten, die die Regierung führen, ihn auf ihrer Fraktionsklausur in der vergangenen Woche in Dresden explizit als Forderung in ihre Vorbereitungen für den Koalitionsausschuss reingeschrieben haben. Warum haben sie dann darauf verzichtet?

Fachliche Bedenken

Aus der Parteiführung hieß es, ein Gaspreisdeckel sei kaum durchführbar, weil der Wärmemarkt anders strukturiert sei als der Strommarkt und weil auch andere Wärmequellen wie Heizöl oder Fernwärme starke Preiserhöhung erfahren, die man dann ebenso ausgleichen müsste, es habe also ernsthafte fachliche Bedenken gegeben.

Das sieht der Direktor des Instituts für Makroökonomie, Sebastian Dullien, anders. Er hält einen Gaspreisdeckel weiterhin für machbar. „Ob man einen Gaspreisdeckel einführt, ist zunächst einmal eine politische Entscheidung, die technischen Probleme bekommt man in den Griff“, sagte Dullien der taz.

Dullien hat bereits im Februar zusammen mit der Ökonomin Isabella Weber ein Modell entwickelt, bei dem ein Grundverbrauch von 8.000 kWh pro Jahr angesetzt wird. Das entspricht ungefähr der Hälfte des Verbrauchs einer durchschnittlichen 100-Quadratmeter-Wohnung. Für dieses Grundkontingent hatten Dullien und Weber einen ermäßigten Preis vorgeschlagen, damals 7,5 Cent, heute würde Dullien eher 12 bis 13 Cent ansetzen. „Das entspricht dem derzeitigen Durchschnittspreis.“

Die Differenz zwischen dem Grundverbrauchspreis und dem Marktpreis müsste dann der Bund ausgleichen, indem er den Gasversorgern eine Kompensation überweist. Eine Subvention, welche der Staat entweder aus den Einnahmen bezahlen oder als zusätzliche Schulden aufnehmen müsste. Finanzminister Christian Lindner, FDP, will beides nicht, pocht dagegen auf die Schuldenbremse im Grundgesetz, die kaum noch neue Schulden erlaubt.

Dullien hält es jedoch für ökonomisch geboten, die Schuldenbremse im nächsten Jahr erneut auszusetzen. „Wir steuern infolge des Ukrainekrieges auf eine Rezession zu, in einer solchen Notsituation an der Schuldenbremse festzuhalten wäre ökonomischer und sozialpolitischer Unsinn“, sagt Dullien.

Gaspreise könnten ab 2025 wieder sinken

Auch die technischen Einwände gegen einen Gaspreisdeckel hält Dullien für lösbar. So gibt es zwar 20 Millionen Haushalte in Deutschland, die mit Gas heizen, aber nur 8 Millionen Zähler. Das heißt, der Großteil der Haushalte hängt an einer Gaszentralheizung. Das Problem ist also, wie ermittelt man, welches Grundkontingent, welchem Haushalt zusteht.

Dullien schlägt vor, dass zunächst jeder Haushalt ein pauschales Kontingent erhalten und auf Vertrauensbasis die Anzahl der Personen im Haushalt melden soll. Kontrolliert wird im zweiten Schritt. Zudem könnte der Gaspreis auf dem Weltmarkt ab 2025 wieder sinken, glaubt Dullien. Dann wäre ein Preisdeckel nicht mehr nötig.

„Wenn man bereit wäre, ökonomische Vernunft walten zu lassen, dann wäre die Einführung einer Gaspreisbremse überhaupt kein Problem“, fasst Dullien zusammen. Ein solcher Preisdeckel hätte nicht nur den Effekt, dass er die Menschen entlasten, sondern auch die Inflation dämpfen würde.

Auch die Union im Bundestag drängt weiterhin auf eine solche Preisbremse. „Die Alarmstufe Gas belastet Verbraucher stark“, so der verbraucherschutzpolitische Sprecher Volker Ullrich. „Viele verzichten schon jetzt auf warme Duschen.“ Am Freitag treffen sich die EU-Energieminister, um an den Energiepreisdeckeln zu werkeln. In einem früheren Entwurf hatte die EU-Kommission davon abgeraten, den Gaspreis in der gesamten EU zu deckeln. (mit dpa)

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