Max Kruse auf dem Abstellgleis: Die Causa Kruse

Der Umgang des VfL Wolfsburg mit der nun nicht mehr gewollten Offensivkraft ist mehr als widersprüchlich.

Kein Schwein mehr gehabt: Max Kruse besucht ein Sozialprojekt.

Kein Schwein mehr gehabt: Max Kruse besucht ein Sozialprojekt Foto: dpa

Wie in den letzten Tagen zahlreiche Sportjournalisten enthüllt haben, wiegt der vom VfL Wolfsburg kaltgestellte Fußballer Max Kruse mehr als der Durchschnittsprofi und läuft dafür weniger. Ach, echt? Es ist doch hoffentlich davon auszugehen, dass Wolfsburgs Entscheider ihn im Winter im Wissen darum verpflichtet hatten und im Bewusstsein, dass er auch sonst anders ist als andere.

Kruse wurde nicht geholt, um abzunehmen oder Fließbandmaloche abzuliefern, sondern um mit dem, was er kann, dafür zu sorgen, dass Wolfsburg nicht absteigt. Und das brachte er dann auch vergangene Rückrunde erfolgreich ein. Dieses Kruse-Extra war nie Balleroberung und Rückwärtsbewegung. Es ist ein außergewöhnliches Gespür für gefährliche Räume, als Passgeber, aber auch als Anspielstation. Das war und ist etwas, was dem VfL Wolfsburg fehlte und fehlt.

Aber es ist im autoritären Profifußball so, dass der Trainer solange alles entscheidet, bis er selbst entlassen wird. Und dass jeder Spieler nur so stark ist, wie der Trainer ihn sieht. Was für jeden ordentlichen Funktionierer gilt, das gilt für den idiosynkratischen und mittlerweile 34-jährigen Kruse erst recht. Schon bei seinem letzten Abgang war es so, dass der Trainer (Urs Fischer) offenbar irgendwann nicht mehr hinter ihm stand. Der Unterschied ist, dass Union Berlin einen anständigen Abschied hinbekam.

Der Beste? Max Kruse

Nun ist es als Außenstehender kaum zu beurteilen, ob und wie ein Spieler genau funktioniert – und ob und warum nicht mehr. Nur die Mitspieler können entscheiden, ob und wann es für sie ein faires Geben und Nehmen ist; wann sie einige oder viele Extrawege gehen müssen. Und selbstverständlich spielt die Identifikation mit der Arbeitsseite des Fußballs eine zentrale Rolle.

VfL-Trainer Niko Kovac hatte ja offenbar kurz vorm Abservieren Kruses auch noch die Hoffnung, dass es hinhauen würde, denn man bringt keinen Spieler zweimal von Anfang an, um ihn bloßzustellen. So wird man sehen müssen, ob der Verzicht auf Kruse den Trainer beim Versuch voranbringt, kompakte Defensive zu paaren mit der Verbesserung des dysfunktionalen Offensivspiels.

Die Trennung würde ich als handelsüblich legitim bezeichnen, die Art und Weise als suboptimal für beide Seiten. Nun damit zu kommen, dass Kruse Kruse ist, Arbeit nicht seine Leidenschaft ist, wie der bemühte Vereins-Claim es verlangt, er ein Social-Media-Leben führt, mit seiner Frau über Vögeln spricht und ab und zu einen Spruch raushaut, etwa, dass Fußballprofis nur vier Stunden am Tag arbeiten? Statt da den Zeigefinger zu schwingen, kann man auch sagen: Lustig. Oder: So ist er halt. Oder: Endlich mal was los in Wolfsburg. Das sagt man ja auch – aber eben nur, solange er so viel Tore schießt und Vorlagen gibt.

Interessant ist auch, dass der VfL Wolfsburg in den letzten Jahren diverse mittel- bis hochpreisige Halbstürmer geholt hat, die bisher alle mäßig oder gar nicht funktioniert haben, jedenfalls schlechter als Kruse. Lustigerweise waren vier davon mal beim SC Freiburg – und da erfolgreich. Da könnte man ja annehmen, dass das mit dem dortigen Trainer zusammenhängt, Christian Streich. Als der mal gefragt wurde, wer der beste Fußballer sei, mit dem er je zusammengearbeitet hat, da seufzte er, die Frage sei nicht einfach zu beantworten. Und dann sagte er: Max Kruse.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.