Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke: Durchaus eine geschickte Lösung

Laufzeitverlängerung nur, wenn es gar nicht anders geht: Habecks Stresstest-Schlussfolgerung stellt niemanden wirklich zufrieden. Trotzdem ist sie klug.

Robert Habeck, sein Gesicht in eine Hand gestützt

Robert Habeck versucht, mit seinem AKW-Kompromiss der Sündenbock-Rolle zu entkommen Foto: Michele Tantussi/rtr

Es war keine angenehme Ausgangsposition für Robert Habeck: Auf der einen Seite lauerten die oppositionelle Union und der Koalitionspartner FDP darauf, dem grünen Wirtschaftsminister die Verantwortung für sämtliche Versorgungsengpässe im Winter geben zu können, wenn er eine Laufzeitverlängerung für die deutschen Atomkraftwerke ablehnt. Auf der anderen Seite drohte ein massiver Konflikt mit Umweltverbänden und Teilen der eigenen Parteibasis, wenn er die AKWs länger als bis zum Jahresende am Netz lässt.

Und der verschärfte Stresstest, der klären sollte, ob eine Laufzeitverlängerung erforderlich ist, um Versorgungsprobleme im nächsten Winter zu verhindern, war dabei keine wirkliche Hilfe. Der hat zum einen gezeigt, dass in Süddeutschland der Strom im Winter kurzzeitig tatsächlich knapp werden kann, wenn viele ungünstige Annahmen – AKW-Ausfälle in Frankreich, Niedrigwasser, Gasmangel und stark steigender Stromverbrauch – zusammenkommen. Zum anderen wurde deutlich, dass ein Weiterbetrieb der beiden süddeutschen Reaktoren daran nur sehr wenig ändern würde – aber ein bisschen was eben schon.

Habeck hat sich in dieser Situation für einen Kompromiss entschieden: Er will abwarten, ob das Extremszenario aus dem Stresstest tatsächlich eintritt. Nur dann sollen Isar 2 und Neckarwestheim II weiterlaufen dürfen, und auch das nur maximal bis zum Ende der Heizperiode im April. Anderenfalls ist auch dort wie geplant zum Jahresende Schluss.

Wirklich zufrieden ist mit dieser Lösung niemand: Atomkraftgegner sehen schon die Möglichkeit einer streng befristeten Laufzeitverlängerung als bösen Verrat an. Union und FDP sind dagegen empört, dass die AKWs nicht auf jeden Fall am Netz bleiben. Zudem verursacht der Plan Kosten und Aufwand, selbst wenn am Ende gar kein zusätzlicher Strom erzeugt wird.

Die Entscheidung ist der beste Ausweg

Trotzdem ist die Entscheidung vermutich der beste Ausweg aus dem Dilemma. Habeck zeigt, dass er bereit ist, wichtige Positionen seiner Partei zu räumen, wenn es wirklich nötig ist – aber eben nur dann.

Natürlich werden Populisten aller Art trotzdem versuchen, den Grünen die Schuld für sämtliche Energie-Probleme der nächsten Monate zuzuschieben. Doch das fällt ihnen nun zumindest nicht mehr ganz so leicht.

Und die Anti-Atom-Bewegung ist allein wegen der unwahrscheinlichen Möglichkeit etwas längerer Laufzeiten empört. Doch auch dafür gibt es wenig Grund. Denn während Habeck einen Weiterbetrieb der AKWs für wenige Monate zumindest für möglich hält, hat er zugleich klar gemacht: Nach Ende des nächsten Winters ist Atomkraft in Deutschland definitiv Geschichte.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.