Tödliche Polizeischüsse in Dortmund: „Milde Mittel nicht ausgeschöpft“

Nachdem gegen weitere Polizisten wegen der Schüsse in Dortmund ermittelt wird, fordert die SPD eine Sondersitzung. Der Schütze ist suspendiert.

Demonstration fragen "Wer kontrolliert die Polizei?"

Viele Menschen fordern eine lückenlose Aufklärung Foto: Roberto Pfeil/dpa

BERLIN taz | Nach der Ausweitung der Ermittlungen im Fall der tödlichen Polizeischüsse von Dortmund hat die SPD eine Sondersitzung des Rechtsausschusses im Landtag beantragt. Es gebe „eine neue Lage in diesem ohnehin schon dramatischen Fall“, erklärte Innenexpertin Christina Kampmann. Diese müsse umgehend politisch aufgearbeitet werden. Auch die Grünen forderten eine „konsequente Aufklärung“ ein. Innenminister Herbert Reul (CDU) sprach ebenso von einer „neuen Lage“.

Am 8. August war der 16-jährige Mouhamed D. von einem Polizisten erschossen worden, nachdem ein Betreuer seiner Jugendhilfeeinrichtung die Polizei wegen Suizidgefahr gerufen hatte. Der senegalesische Geflüchtete hatte sich im Innenhof seiner Wohngruppe ein Messer an den Bauch gehalten. Nachdem er auf Ansprachen nicht reagierte, wurde D. mit Pfefferspray und zweimal mit einem Taser beschossen. Als er sich darauf auf die Po­li­zis­t:in­nen zubewegte, feuerte ein Beamter mit einer Maschinenpistole auf ihn, vier Projektile trafen. Mouhamed D. verstarb im Krankenhaus.

Durch einen neuen Ermittlungsbericht, den das Innenministerium dem Landtag übermittelte, wurde publik, dass gegen den Polizeischützen nun auch der Vorwurf des Totschlags geprüft wird. Bisher wird gegen ihn wegen Körperverletzung mit Todesfolge ermittelt. Zudem wird inzwischen gegen drei weitere Beamte, die das Pfefferspray und den Taser einsetzten, wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt ermittelt. Gegen den Einsatzleiter, der dies anordnete, läuft ein Verfahren wegen Anstiftung zu gefährlicher Körperverletzung im Amt.

Erst nach dem Pfefferspray-Einsatz ging D. auf Beamte zu

Carsten Dombert von der Staatsanwaltschaft Dortmund sagte am Freitag der taz, viel spreche dafür, dass die Polizeibeamten „nicht alle milden Mittel ausgeschöpft“ hätten, als sie anfangs auf Mouhamed D. zugingen. Erst nach dem Einsatz des Pfeffersprays habe sich der 16-Jährige auf die Beamten zubewegt. Ob er dies auch noch nach dem Taser-Einsatz tat, ist laut Ermittlungsbericht bisher ungeklärt. Demnach schloss sich beim ersten Taser-Beschuss kein Stromkreis, beim zweiten sei es nur zu einer „Schmerzwirkung“ gekommen.

Dombert und auch Innenminister Reul betonten, dass es weiterhin um einen Anfangsverdacht gehe. Ausgewertet werde etwa noch ein aufgezeichneter Notruf, den der Betreuer während des gesamten Einsatzes mit der Polizei führte und auf dem etwa Knallgeräusche zu hören seien. Die zwölf beteiligten Polizisten selbst hatten ihre Bodycams allesamt ausgeschaltet.

Der Polizeischütze ist inzwischen vorläufig vom Dienst suspendiert. Auch gegen die vier anderen Beamten, gegen die ermittelt wird, wurden laut der Polizei Dortmund dienstrechtliche Schritte eingeleitet, sie wurden versetzt.

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