Olympia-Attentat in München 1972: Beschämend spät

Deutschland hat beim Olympia-Attentat von 1972 große Schuld auf sich geladen. Dass nun Verantwortung dafür übernommen wird, ist lange überfällig.

Renovierungsarbeiten an einem Gedenkstein für die getöteten israelischen Sportler

Renovierungsarbeiten an einem Gedenkstein für die 11 israelischen getöteten Sportler Foto: Wolfgang Rattay/reuters

Es ist die erste gute Nachricht in einer 50 Jahre andauernden beschämenden Farce. Eine Einigung über die Entschädigungszahlungen an die Familien der israelischen Terroropfer in München 1972 zeichnet sich ab. Läuft es wie geplant, könnten die Familien der elf Athleten, die von einem palästinensischen Terrorkommando zuerst entführt und dann ermordet wurden, an der Gedenkzeremonie am 5. September, dem Jahrestag des Anschlags, teilnehmen.

Geld spielte bei der Einigung nur zum Teil eine Rolle. Die Überlebenden und Hinterbliebenen forderten Einsicht in die Untersuchungsakten. 50 Jahre lang verwehrten die deutschen Behörden den Angehörigen, die erklärtermaßen und zu Recht wissen wollten, was genau sich in der vom 5. zum 6. September 1972 abgespielt hat.

Es war ein Chaos erster Klasse. Zvi Samir, damals Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, musste machtlos zusehen, wie sich eine Handvoll deutscher Scharfschützen ohne Präzisionsgewehr in Position bringt, um die Geiseln zu befreien. Geblendet von Scheinwerfern und offenbar im Unwissen darüber, wie viele Terroristen überhaupt vor Ort sind, schießen sie daneben, sind mit ihrer Mission hoffnungslos überfordert, während die erhoffte Verstärkung im Stau steckt.

Israel hatte Hilfe angeboten, hatte flehentlich darum gebeten, die eigenen Leute, die für derartige Situationen ausgebildet, ausgerüstet und darauf vorbereitet waren, nach Deutschland schicken zu dürfen. Vergebens. Gegen Mitternacht kam dann Entwarnung – fälschlicherweise, wie sich wenige Stunden herausstellte. „Sie sind alle tot“, erinnert sich Ex-Mossad-Chef Samir noch Jahrzehnte nach dem Alptraum mit Tränen ringend an sein Telefonat mit Golda Meir, der damaligen Regierungschefin.

Schon kurz darauf werden die Spiele fortgesetzt. Es ist schließlich die erste Olympiade seit 1936 auf deutschem Boden. Dass jetzt wieder Juden Opfer sind, reichte den Behörden nicht aus, um Verantwortung zu übernehmen, um dem Versagen der Polizei personelle Konsequenzen folgen zu lassen oder sich auch nur bei den Familien der Opfer zu entschuldigen.

Eine Million an die Hinterbliebenen ließen die Behörden unmittelbar springen und nach 30 Jahre nochmal 3 Millionen, die sich Bayern, die Stadt München und die Bundesrepublik teilten. Und die sich die 25 Familienmitglieder der israelischen Opfer teilen mussten – nach Abzug der Gerichtskosten. Jetzt endlich ist mit 28 Millionen Euro eine ernstzunehmende Summe im Gespräch. Eine Summe, die erkennen lässt, dass man in Deutschland – wenngleich mit großer Verspätung – Verantwortung zu übernehmen bereit ist.

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1961 in Berlin geboren und seit 2021 Co-Leiterin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.

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