Vorwürfe gegen NDR-Spitze in Kiel: Rundfunkrat will weiter untersuchen

Ein „Klima der Angst“ und „politische Filter“: Gegen die Redaktionsleitung im NDR-Landesfunkhaus Kiel stehen einige Vorwürfe im Raum.

Passanten gehen vor der Einfahrt zum Landesfunkhaus Schleswig-Holstein des NDR entlang

In der Kritik: Im Landesfunkhaus des NDR in Kiel muss viel aufgearbeitet werden Foto: Axel Heimken/dpa

KIEL taz | Es herrsche ein „Klima der Angst“ in der Redaktion des Norddeutschen Rundfunks (NDR), so beklagten es offenbar Beschäftigte. Zudem werfen Mit­ar­bei­te­r*in­nen der Redaktionsleitung im Landesfunkhaus Kiel vor, die Berichterstattung beeinflusst zu haben, um CDU-Ministerpräsident Daniel Günther besser dastehen zu lassen.

Seit Tagen wird die Kritik an den internen Abläufen des NDR immer lauter. Nun hat sich der NDR-Rundfunkrat als Kontrollgremium mit den Vorfällen befasst und will sie weiter untersuchen. „Wir nehmen die erhobenen Vorwürfe sehr ernst“, sagte Laura Pooth, Vorsitzende des Rundfunkrats, am späten Montagabend nach einer Sondersitzung des Gremiums, der Nachrichtenagentur epd.

Es dürfe keine „politischen Filter“ oder eine Arbeitsumgebung geben, die „die unangemessene Einflussnahme oder das Durchregieren Einzelner“ ermöglichen, so Pooth, die im Hauptberuf Vorsitzende des DGB-Bezirkes Nord ist. Solche Vorwürfe hatten feste und freie Jour­na­lis­t*in­nen des Senders erhoben, zuletzt in einem Brief, den 72 Beschäftigte, überwiegend aus der Redaktion, unterzeichnet und dem „Stern“ zugeschickt haben. Darin distanzieren sie sich vom Verhalten ihrer Vorgesetzten und fordern „eine lückenlose und transparente Aufarbeitung aller Vorwürfe“.

Im Sender steht die Stimmung seit Längerem nicht zum Besten: Aufgrund von Sparvorgaben müssen gerade Freie regelmäßig um ihre Verträge zittern, ein neues Honorarsystem sorgt für Unmut. Aber auch Festangestellte beklagen ein schlechtes Betriebsklima. In einem internen, inzwischen geleakten Bericht des Redaktionsrats ist von „großen Druck“ und einem „vergifteten Klima“ die Rede.

Journalistenverband fordert Aufklärung

Zudem beklagen Journalist*innen, dass wie durch einen „politischen Filter“ berichtet werden müsse, dass Kritik unterdrückt und Themen heruntergespielt würden, wenn sie die regierenden CDU schlecht aussehen ließen.

Konkreter Auslöser war der Umgang des Senders mit dem ehemaligen Landesinnenminister Hans-Joachim Grote, selbst CDU, den sein Parteifreund Ministerpräsident Daniel Günther im April 2020 rüde aus dem Amt kickte.

Ein NDR-Mitarbeiter wollte ein Interview mit dem geschassten Grote führen, bei dem der seine Sicht der Dinge hätte schildern können. Der Chefredakteur des NDR Schleswig-Holstein, Norbert Lorentzen, und die Politikchefin Julia Stein lehnten das ab. Der Journalist wandte sich an den Redaktionsrat des Senders, der die Argumente von Lorentzen und Stein gegen das Interview nicht überzeugend fand und zum Schluss kommt, dass dies kein Einzelfall sei.

Nicht nur der Rundfunkrat, sondern auch der Journalistenverband Nord fordern nun eine Aufklärung der Vorwürfe. Allein der Eindruck, dass Einfluss auf die Berichterstattung genommen werde, schade dem Sender, heißt es in der Mitteilung des Verbandes, denn schließlich sei das Vertrauen in unabhängigen Qualitätsjournalismus das Kapital des NDR, so die DJV-Landesvorsitzende Marina Friedt: „Der NDR hat aktuell im Zusammenhang mit den Vorgängen beim RBB Transparenz und verantwortungsvollen Umgang mit Fehlentwicklungen zugesagt. Dieses Versprechen muss der Sender nun einlösen.“

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