„Plansche-Urteil“ in Berlin: Kein gutes Zeichen für das LADG

Eine Frau wird gezwungen, ihre Brust zu bedecken. Darin sieht das Landgericht Berlin keine Diskriminierung. Zum Glück gibt es ein Berufungsverfahren.

Ein Schild mit der Aufschrift "Wasserspielplatz Plansche" weißt auf die Öffnungszeiten des Spielplatzes hin

Inzwischen ist „oben ohne“ in der Plansche für alle erlaubt Foto: picture alliance/dpa | Fabian Sommer

BERLIN taz | Die Entscheidung des Landgerichts, die Klage von Gabrielle Lebreton auf Entschädigung wegen Diskriminierung nach dem Landesantidiskriminierungssetz (LADG) abzulehnen, ist eine Überraschung und Enttäuschung zugleich.

Erstmals stand das bundesweit einzigartige Gesetz, das die Diskriminierung durch Landesbehörden und ihre Mitarbeitenden verbietet, auf dem Prüfstand. Dass eine Richterin nun meint, es sei keine Diskriminierung einer Frau, wenn sie wegen ihrer nackten Brüste einer öffentlichen Grünanlage verwiesen wird, ist für die Intention des Gesetzes, Menschen vor ungerechtfertigter Ungleichbehandlung zu schützen, kein gutes Zeichen.

Zudem ließ der Verlauf der Verhandlung am Mittwoch dies nicht erwarten, denn die Argumente der Verteidigung waren extrem schwach. Rechtsanwalt Eike-Heinrich Duhme von der Kanzlei Kunze, Dietrich und Duhme, die für die Finanzverwaltung als Rechtsvertretung des Landes auftrat, konnte letztlich nur mit an sich schon diskriminierenden Vorstellungen begründen, warum die Verweisung von Gabrielle Lebreton gerechtfertigt gewesen sei.

So behauptete er, ein paar Leute hätten sich über die nackten Brüste beschwert, nur deshalb sei der Sicherheitsdienst tätig geworden. Und weil die Plansche ein Spielplatz sei, kein Schwimmbad, seien solche Beschwerden auch in Ordnung. Es gehe auf Spielplätzen nämlich um die Kinder, nicht um die freie Entfaltung von Erwachsenen. Kinder aber bräuchten ihre Eltern – und es gebe nun mal konservative, „verklemmte“ Menschen, so Duhme, die nackte Frauenbrüste stören: „Da kann man sich ruhig ein T-Shirt überziehen.“

Das Landgericht Berlin hat am Mittwoch die Klage einer Frau auf Entschädigung abgewiesen, die wegen ihres unbekleideten Oberkörpers von einem Wasserspielplatz im Treptower Park verwiesen worden war. Wegen Einzelheiten zur Begründung verwies das Gericht auf die schriftlichen Urteilsgründe, die noch nicht vorlagen. Das Urteil sei noch nicht rechtskräftig, es könne dagegen Berufung beim Kammergericht eingelegt werden.

Die Klägerin Gabrielle L. wollte eine Entschädigung von 10.000 Euro auf der Grundlage des vor zwei Jahren in Kraft getretenen Landesantidiskriminierungsgesetzes.

Bei dem Verfahren gehe es darum, zwischen Grundrechten der Klägerin, die sich mit unbekleidetem Oberkörper sonnen wollte, und Grundrechten anderer, die dies nicht sehen wollten, abzuwägen, sagte die Vorsitzende Richterin in der Verhandlung. (epd)

Männliche Brusthaare müssen nicht bedeckt werden

Rechtsanwältin Leonie Thum zerpflückte diese Argumentation mit Präzision und Humor. „Ich bestreite, dass auf einem Spielplatz nackte Männer geduldet würden“, sagte sie, und: „In der Plansche ist mit partieller Nacktheit zu rechnen“, darüber könne man sich also nicht beschweren.

Vor allem aber sei es diskriminierend, einer Frau, die einfach oben ohne in der Sonne sitzt, quasi Erregung öffentlichen Ärgernisses vorzuwerfen, indem man Beschwerden darüber recht gibt. „Das ist doch genau das Problem der Diskriminierung“, sagte Thum, schließlich seien weibliche Brüste sekundäre Geschlechtsorgane genau wie männliche Brusthaare – die auch niemand zu bedecken verlange.

Offenbar konnte die Richterin mit diesem Argument nichts anfangen. So bleibt zu hoffen, dass die nächste Instanz mit etwas mehr Verständnis für Antidiskriminierungsbelange da rangeht. Die Klägerin wird voraussichtlich in Berufung gehen, erklärte Thum nach der Entscheidung. Dies wäre auch im Sinne des LADG.

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Jahrgang 1969, seit 2003 bei der taz, erst in Köln, seit 2007 in Berlin. Ist im Berliner Lokalteil verantwortlich für die Themenbereiche Migration und Antirassismus.

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