Altersarmut in Berlin: Steigende Mieten, wachsende Armut

Immer mehr Rent­ne­r:in­nen leben in Armut, zeigt eine Grünen-Anfrage. Das Problem dürfte in der Energiekrise größer werden.

300 Energiepreispauschale für Rent­ne­r:in­nen sind schnell verheizt Foto: picture alliance/dpa/PA Wire | Yui Mok

BERLIN taz | Immer mehr Se­nio­r:in­nen leben in Armut. Das geht aus den Antworten des Senatsozialverwaltung auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Taylan Kurt und Catrin Wahlen hervor. Mussten 2017 etwa 40.000 Ber­li­ne­r:in­nen zusätzlich zur Rente Grundsicherung beantragen, waren es 2021 48.000. Die Zahl der wohngeldbeziehenden Se­nio­r:in­nen stieg von 13.000 auf 14.000. Wie hoch die Dunkelziffer ist, weiß die Verwaltung nicht.

Die Zahlen zeigen: Bereits vor Corona und der Energie- und Lebensmittelpreiskrise nahm Altersarmut konstant zu. In den kommenen Monaten wird sich die Situation deshalb wohl nur noch verschärfen. Von der Energieschulden-Beratungsstelle der Verbraucherzentrale Berlin hieß es kürzlich, Anfragen von Rent­ne­r:in­nen hätten sich verdoppelt.

Der Senat aber weist die Verantwortung von sich – für gute Renten zuständig sei der Bund. Aus den bisherigen Entlastungspaketen aus dem Hause von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) kommen armen Rent­ne­r:in­nen bisher hauptsächlich ein Zuschuss zum Wohngeld, eine Einmalzahlung für Sozialhilfeempfangende und eine steuerpflichtige Energiepreispauschale von 300 Euro für Rent­ne­r:in­nen zugute. Das dürfte aber kaum ausreichen, um die explodierenden Energie- und Lebensmittelpreise auszugleichen.

Auf Landesebene gebe es vor allem „das Instrument der Sozialberatung“, so die Verwaltung – etwa in den Standorten der Allgemeinen Unabhängigen Sozialberatung. Im Idealfall kann so zum Beispiel eine Strom- oder Gassperre oder eine Mietkündigung verhindert werden. Die Zahlen der Verwaltung zeigen, dass tausende Rent­ne­r:in­nen die vielfältigen Angebote der Bezirke auch annehmen.

Ratlos in Reinickendorf

Auffallend sei aber Reinickendorf, bemerkt Fragesteller Kurt. Dort werden in nur drei der acht Seniorenfreizeitstätten Beratungen angeboten; laut Bezirk werden so nur etwa 72 Personen pro Jahr erreicht. „Die dortige CDU-Sozialstadträtin Emine Demirbüken-Wegner muss ihre Hausaugaben machen“, sagt Kurt.

Berlin dürfe sich nicht mit dem Verweis auf den Bund aus der Affäre ziehen. „Wir müssen auch in Berlin handeln, um Armut zu bekämpfen“, sagt Kurt. Auffallend sei, dass vor allem dort die Armut um sich greife, wo die Mieten besonders stark steigen. „Altersarmut hat etwas mit Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt zutun“, so Kurt.

Im Kontext der aktuellen Energiekrise plädiert Kurt für ein Moratorium für Mietkündigungen und Strom- und Gassperren. Darüber hinaus plant der Senat einen Härtefallfonds in Höhe von mindestens 380 Millionen Euro, SPD und Linke wollen eine Milliarde lockermachen. Wie dieser ausgestaltet wird, ist aber noch nicht klar. Am nächsten Montag will der Koalitionsausschuss in der Frage beraten.

Für Kurt ist wichtig, dass der Fonds Energieschulden armer Ber­li­ne­r:in­nen übernimmt. Das müsse möglichst niedrigschwellig geschehen. „Armut ist schambehaftet“, sagt Kurt, da müsse eine „Antragsbürokratie“ vermieden werden.

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