Berlin als Stimmungskiller bei EM: Balin is’ anders

Das deutsche Basketball-Nationalteam spielt sich nach einem Sieg über Montenegro ins EM-Viertelfinale. Aber nicht in die Herzen der Hauptstädter.

Deutschlands Center-Spieler Daniel Theis versenkt einen Ball im Netz

Grimmiges Einnetzen: Deutschlands Center-Spieler Daniel Theis zeigt, wie's geht Foto: ap

BERLIN taz | „Mir geht’s Berlin“, das war mal ein Slogan, mit dem Berlin für sich warb. Damals im Jahr 2003 war die noch junge Hauptstadt eine Metropole der Möglichkeiten, die den Zugezogenen und Touris durchaus positiv aufs Gemüt schlug und so etwas wie Lust auf mehr hinterließ. Die Mieten waren lächerlich günstig, ein paar Untergrundklubs hatten noch auf und die Medienlandschaft boomte dank Werbeeinnahmen und Zukunftsversprechen. Mittlerweile hat dieses „Mir geht’s Berlin“ eine Doppelbedeutung. Na ja, mir geht’s so lala, is halt Balin.

Die deutsche Basketballnationalmannschaft hat ihre ersten fünf Spiele nicht in Berlin, sondern in Köln gespielt. Dieses flirrende „Mir geht’s Köln“, wo das Befinden nach ziemlich guten Auftritten vor 18.000 Fans kaum besser hätte sein können, wollte das Ensemble um Trainer Gordie Herbert an die Stätte der Knock-out-Spiele bei dieser Europameisterschaft tragen, nach Berlin.

Aber daraus wurde nichts. Die Mannschaft des Deutschen Basketball-Bundes, DBB, hat zwar das Achtelfinale gegen Montenegro mit 85:79 gewonnen, aber der Transfer der guten Stimmung aus dem Rheinland in die Hauptstadt ist doch eher misslungen. Das Entscheidungsspiel am Samstagabend sahen nur etwa 11.000 Zuschauer. Die Arena am Ostbahnhof fasst 14.500. Die offizielle Zuschauerzahl wurde mit 12.938 „für die Session“ angegeben.

Ende der Festspiele

Der Ticketdeal funktionierte so: Ich kaufe ein Billett für zwei Spiele, also für Deutschland gegen Montenegro und Litauen gegen Spanien (94:102 nach Verlängerung), bin aber nicht verpflichtet, beide Partien anzuschauen. Als das Spiel ­begann, gab’s viele Lücken auf den Rängen, die Stimmung war trotz alberner Feuershow verhalten, und als die deutsche Mannschaft startete wie die Feuerwehr, zur Pause mit 48:24 führte, da schienen einige sanft entschlafen zu sein. Gähn, was für ein langweiliges Match! Ach, guck mal, der Dennis zieht zum Korb und schließt mit einem Dunk ab, yo!

Zwei Deutschlandfans hielten wacker ihr Plakat mit der Aufschrift „Franz Wagner Festspiele“ in die Höhe, aber als sich der 21-Jährige von den Orlando Magic nach einem Dreipunktwurfversuch am Knöchel verletzte und den Rest des Spiels mit einem Eisbeutel die Schwellung bekämpfte, konnten die beiden ihr Plakat nicht nur zum Altstoffhandel bringen, auch das Spiel des DBB-Teams kollabierte. Es wusste nicht mehr, wie umgehen mit der Raumverteidigung aus Montenegro, Zone genannt. Der Gegner vom Balkan kam näher, bis auf drei Punkte in der Schlussphase.

Dass es zu dieser völlig unnötigen Dramatik kam, hätte niemand in der Arena für möglich gehalten, aber vielleicht wollte die deutsche Auswahl so für Spannung, Aufregung – und Stimmung auf den Rängen sorgen. Das klappte dann auch leidlich. Das fast schon lethargische Berliner Publikum wachte auf, erhob sich sogar von den Sitzen und klatschte rhythmisch. Einige Spieler sprachen hernach von einer „komischen Stimmung“ in der Halle. Sie hatten anderes erwartet, schließlich ist Berlin Basketballmetropole. Viele Nationalspieler sind durch die Alba-Schule gegangen, Wagner etwa, aber auch Niels Giffey. Andere, wie Johannes Thiemann oder Maodo Lo oder Jonas Wohlfahrt-Bottermann, haben das gelbe Alba-Trikot in ihrer Karriere übergestreift.

„Hoffentlich sind beim nächsten Mal etwas mehr Fans da. Es wäre cool, wenn die Halle komplett voll wäre“, sagte Lo. „Köln war sehr stark, das hat uns sehr gepusht. Heute waren hier und da ein paar leere Plätze, es war in einigen Phasen etwas still“, sagte der Point Guard. Mit Blick auf das Viertelfinale am Dienstag, in dem es wahrscheinlich gegen Titelkandidat Griechenland mit NBA-Star Giannis Antetokounmpo gehen wird, richtete sich Lo direkt an die Basketballfans aus seiner Heimatstadt. „Ich appelliere als Berliner: Zeigt doch, woraus wir geschnitzt sind. Und unterstützt uns, damit wir eine gute Chance haben.“

Am Ende, sagte Teamkapitän Dennis Schröder, zähle nur der Sieg, nicht sein Zustandekommen: „Diszipliniert gespielt haben wir nicht.“ Mir geht’s Berlin, dieses Fazit stand nach dem Viertelfinale fest: irgendwie nicht so knorke, aber wird schon werden.

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