DLR-Forschungszentrum Ae­ro­Space­Park: Raumfahrt in Nazi-Tradition

In Trauen betreibt das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) Raketenforschung. Hier wurde vor 80 Jahren an einem Orbitalbomber getüftelt.

Foto von Nazi Eugen Sänger in den 1950er Jahren

Nach Eugen Sänger heißt eine Straße in Faßberg: Mehr Nazi als der Ingenieur konnte man nicht sein Foto: dpa / Frye

BREMEN taz | Technische Forschung ist oft keine rein zivile Angelegenheit. Und schon mal gar nicht im Ort Trauen bei Faßberg im Kreis Celle. Dort betreibt das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) nun seit zwei Jahren Raumfahrtforschung. Wieder, muss es genauer heißen, und: endlich!, sagen manche Lokalpolitiker.

Denn in Trauen wurde ja schon Jahrzehnte zuvor, ab 1936, ein geheimes Raketenlabor betrieben. Dessen Chef war der in Österreich geborene, aber noch vorm Anschluss eingedeutschte Eugen Sänger.

Manche verherrlichen den Ingenieur als Visionär. Noch herausragender war er aber in seiner Eigenschaft als Voll-Nazi: Schon 1932 in Österreich NSDAP- und SS-Mitglied, hatte er auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch tatkräftig mithelfen wollen, Juden zu vernichten, mit Raketen, von Ägypten aus.

Hier im idyllischen Trauen hat er am Silverbird getüftelt, einem Orbitalbomber. Der hätte aufgrund hoher Geschwindigkeit in die Stratosphäre eindringen, dort auf eine niedrige Erdumlaufbahn einschwenken und so ermöglichen sollen, New York in Schutt und Asche zu legen, direkt von der Lüneburger Heide aus, dank innovativer Antriebstechnik. Toll.

Für Investoren soll es Subventionen regnen

Daher ist dem Ingenieur auch die Straße gewidmet, in der das DLR seiner „Vi­si­on 2035“ nachhängt: Der Ae­ro­Space­Park Trau­en hat seinen Sitz in der Eugen-Sänger-Straße 50.

Nur warum? Liegt der Himmel dort näher? Die Raketenforscher sind nicht in der Lage, die taz-Anfrage im Laufe von mehr als einer Woche zu beantworten. Dabei ist zwar nachvollziehbar, dass die Nazis ihre Aufrüstung im Verborgenen praktizierten. Sie musste, als flagranter Bruch des Versailler Vertrags, verheimlicht werden.

Aber warum soll es eine gute Idee sein, die verrottete Anlage am Arsch der Welt mit ihren nicht nur ideellen, sondern auch baulichen Altlasten zu reaktivieren? Okay, da ist viel Platz, die Grundstückspreise sind moderat und das Militär ist schon ewig der bestimmende Faktor der lieblichen Gegend. Das Verhältnis zur Nachbarschaft ist also bestens.

Aber: Zuwegungen und sinnvolle telekommunikative Infrastruktur hat man erst neu schaffen müssen, um diskutabel für rein privatwirtschaftlich organisierte Forschungspartner zu werden. Am Mittwochvormittag will man den einschlägigen Unternehmen in einem „Workshop“ die Vorzüge von Trauen schildern, vorsichtshalber digital, weil, die Anreise…! Vor allem will man ihnen einen Überblick über niedersächsische Fördermöglichkeiten für Raumfahrt-Unternehmen geben.

Seit der Jahrhundertwende hatten rechtsliberale Zeitungen und Politiker das Vorhaben der Standortreaktivierung hochgejubelt, Millioneninvestitionen gefordert – und am Ende auch bekommen. Der teilstaatliche Luft- und Rüstungskonzern EADS hat Euro-Beträge in zweistelliger Millionenhöhe hier angelegt.

Dazu gibt’s fett Subventionen, legitimiert mit der Verheißung eines wirtschaftlichen Auftriebs für die Region, 2012 vom damaligen Landeswirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) in Aussicht gestellt: Die Stammbelegschaft soll im vergangenen Jahr aus 17 Leuten bestanden haben.

Mit Wasserstoffperoxid ins All

Das ist selbst für eine strukturschwache Region keine relevante Größenordnung, aber dank großzügiger Förderung aus dem Verteidigungshaushalt – 50 Millionen! – wächst man wohl auf bis zu 60 Leute, und die müssen zwischendurch auch mal Kaffee trinken gehen, sodass weitere Arbeitsplätze entstehen.

Geforscht wird an künftigen Raketenantrieben, die kostengünstiger und sicherer funktionieren sollen als bisherige: Sie sollen als Treibstoff Wasserstoffperoxid nutzen, weil umweltverträglich.

Außerdem erprobt man neue Kontrollsysteme für Klein-Satelliten, die schneller in eine Umlaufbahn geschossen werden können, falls mal einer der anderen ausfällt. Für deren Steuerung eigene Konzepte zu entwickeln, ist angesichts der immensen Bedeutung ihrer Daten für Geo-Informations- und Kommunikationssysteme sicher nicht verkehrt.

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