„Konzertierte Aktion“ der Regierung: Viele warme Worte, nichts Neues

Das zweite Treffen der Konzertierten Aktion bringt keine greifbaren Ergebnisse. Gewerkschaften und Arbeitgeber fordern mehr.

Fahimi, Scholu und Dulger an STehpulten

Freuen sich auf's nächste Treffen: DGB-Chefin Fahimi, Kanzler Scholz und Arbeitgeberpräsident Dulger Foto: Wolfgang Kumm/dpa

BERLIN taz | Schon wieder: „You’ll never walk alone.“ Unzählige Male hat Olaf Scholz in den vergangenen Wochen diesen alten, einer Fußballhymne entliehenen Satz bemüht. Und auch bei der Pressekonferenz im Anschluss an das zweite Treffen der Konzertierten Aktion am Donnerstagnachmittag wollte er nicht auf ihn verzichten. Auch ansonsten fiel ihm nichts Neues ein.

Das Gespräch mit Ver­tre­te­r:in­nen von Gewerkschaften und Wirtschaft im Bundeskanzleramt endete ohne greifbare Ergebnisse. Scholz beschränkte sich vielmehr darauf, ihnen die einzelnen Punkte des bereits Anfang September vorgestellten dritten Entlastungspakets der Regierung zu erläutern.

Ausdrücklich erwähnte er dabei eine Maßnahme, von der sich die Ampelkoalition verspricht, dass sie Einfluss auf die laufenden Tarifverhandlungen hat: „Ich habe den Tarifpartnern das Angebot unterbreitet, zusätzliche Zahlungen bis zu 3.000 Euro von Steuern und Abgaben zu befreien, wenn dadurch mit einer solchen Zahlung die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besser durch die Krise kommen können“, sagte Scholz.

Die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi und der Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger, die gemeinsam mit Scholz vor die Presse traten, reagierten freundlich, aber reserviert. „Dazu werden wir mit den Arbeitgebern ins Gespräch kommen und praxisgerechte Lösungen finden“, sagte Fahimi. Steuerfreie Einmalzahlungen an die Beschäftigten seien zwar positiv, könnten aber nur zusätzlich zu den Lohnerhöhungen sein, die bei den Tarifverhandlungen ausgehandelt werden.

Dulger wies demgegenüber darauf hin, dass nicht alle Betriebe solche Einmalzahlungen leisten könnten. „Viele Betriebe stehen gerade am wirtschaftlichen Abgrund“, sagte er. Deswegen sei es gut, dass diese Zahlungen freiwillig und flexibel wären.

Gewerkschaften und Arbeitgeber fordern mehr Entlastungen

Beide forderten weiter­gehende Entlastungen. Fahimi forderte schnelle Entscheidungen, die auch noch in diesem Jahr wirken, um eine Pleitewelle, Strukturbrüche und Beschäftigungsverluste zu verhindern. „Die Dynamik der Probleme und Herausforderungen, sie überholt uns“, sagte die DGB-Chefin. Sie forderte eine Deckelung sowohl des Strom- als auch des Gaspreises. Auch Dulger sagte: „Die Energiekosten sind hier der zentrale Hebel.“

Wie im 3. Entlastungspaket vereinbart, soll nun eine Expertenkommission im Oktober Vorschläge zu den Kosten für Wärme und zum Gaspreis machen. Geleitet werden soll sie von Industrie-Präsident Siegfried Russwurm, der Wirtschaftsweisen und Energieexpertin Veronika Grimm und Michael Vassiliadis, dem Chef der Gewerkschaft IG BCE. Als „schnell umsetzbar“ stufte Scholz die von der Koalition geplante Strompreisbremse ein.

Fahimi forderte darüber hinaus, es müsse es eine weitere Energiepreispauschale von 500 Euro für die Bür­ge­r:in­nen geben, plus 100 Euro für jedes Kind. Olaf Scholz sagte dazu nichts. Nachfragen von Jour­na­lis­t:in­nen waren nicht möglich.

Sozialverbände fordern Sozialgipfel

Schon das erste Treffen, zu dem Scholz nach dem Vorbild der Konzertierten Aktion des früheren SPD-Wirtschaftsministers Karl Schiller 1967 Anfang Juli eingeladen hatte, war ohne konkrete Vereinbarungen geblieben. Es sei zunächst darum gegangen, ein gemeinsames Verständnis für die aktuellen Inflationstreiber zu entwickeln, hieß es damals. In den nächsten Monaten werde man dann gemeinsame Instrumente entwickeln. Die fehlen bis heute. Aber er freue sich auf das nächste Treffen im November, sagte Scholz.

Nicht mit am Tisch saßen am Donnerstag erneut die Sozialverbände. Was diese kritisch sehen. „Es ist zwar gut, dass der Kanzler Gewerkschaften und Arbeitgeber trifft“, sagte Michae­la Engelmeier vom Sozialverband Deutschland (SoVD). „Im Kanzleramt müssen dringend aber auch die Menschen gehört werden, bei denen das Geld am knappsten ist.“ Für die Mehrheit der Geringverdienenden gelte eben kein Tarifvertrag.

„Deshalb muss es neben der konzertierten Aktion auch einen Sozialgipfel geben“, forderte die SoVD-Vorstandsvorsitzende. Schon vor vier Wochen habe der SoVD zusammen mit dem Sozialverband VdK, dem Deutschen Mieterbund und der Tafel Deutschland Scholz angeschrieben und einen solchen Sozialgipfel gefordert. „Auf eine Antwort warten wir immer noch“, so Engelmeier.

Auch die VdK-Präsidentin Verena Bentele bezeichnete es als enttäuschend, dass der Kanzler bislang die Notwendigkeit eines Austauschs mit den von der Energiekrise am stärksten betroffenen Menschen und ihren Ver­tre­te­r:in­nen ignoriere. „Seine Tür für die Wirtschaft und Industrie ist immer offen, jetzt muss er seine Tür für die Menschen öffnen, denen er im Wahlkampf mehr Respekt versprochen hat“, sagte Bentele. Dabei müsse endlich darüber geredet werden, wie Bedürftige dauerhaft in die Lage versetzt werden, die Energiepreise zu stemmen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.