Box-Weltmeistertitel als Ziel: Harte Arbeit, harte Schläge

Die Hamburgerin Natalie Zimmermann hat vom Kickboxen zum Boxen gewechselt. Nun ist sie fast 40 und hat das Ziel, Weltmeisterin zu werden.

Natalie Zimmermann beim Boxen.

Hat den härtesten Schlag, den ihr Trainer je bei einer Frau erlebt hat: Natalie Zimmermann Foto: Miguel Ferraz

HAMBURG taz | Es ist neun Uhr morgens im EC Boxgym am Berliner Tor in Hamburg. Ein Geruch von Schweiß und Gummi liegt in der Luft. Natalie Zimmermann macht sich warm. Sie springt Seil. Mal auf dem einen, dann auf dem anderen, und schließlich mit beiden Beinen. „Früher bin ich direkt vom Auto in den Ring gestiegen. Aber jetzt, wo ich älter bin, muss ich mich schon länger warm machen“, sagt sie, ehe sie zu der am Boden liegenden Athletikleiter wechselt.

Mit fast 40 Jahren will Zimmermann Boxweltmeisterin werden – obwohl sie den Sport seit gerade einmal drei Jahren betreibt. Lange war sie Kickboxerin, sogar Vizeweltmeisterin, davor im Taekwondo recht erfolgreich. Nun möchte sie den ganz großen Wurf im Boxen schaffen: „Nach 20 Jahren Kampfsport möchte ich mit einem WM-Titel abtreten. Das habe ich mir verdient“, sagt Zimmermann.

Die Schlagkraft dafür hat sie. „Was für einen Wumms die hat, unglaublich!“, sagt Trainer Andre Walther, während sein Schützling mit solch einer Gewalt in die Pratzen schlägt, dass der Knall den ganzen Raum füllt. Eine Frau, die so hart zuschlägt, habe er noch nie trainiert.

Das könnte allerdings auch am schlechten Zustand des Frauenboxens in Deutschland liegen. In Amerika lieferten sich kürzlich Katie Taylor und Amanda Serrano als erste Frauen einen Main-Event-Kampf im New Yorker Madison Square Garden. Zimmermann liegt in der weltweiten Rangliste nur 20 Plätze hinter Taylor, ist von Profibedingungen aber weit entfernt. Sie muss neben dem Boxen noch als Physiotherapeutin arbeiten.

Neun Kämpfe, neun Siege

„Es gibt zu wenige Talente im deutschen Frauenboxen. Und die, die es gibt, werden zu früh verheizt“, sagt Walther. Oftmals würden die Kämpferinnen von ihren Vätern vermarktet. „Da sind die Eltern vielleicht manchmal zu ehrgeizig, für das Wohl ihrer Töchter.“

Deswegen will er Zimmermann behutsam an einen WM-Kampf heranführen. Die beiden arbeiten seit einem halben Jahr zusammen. Davor stand sie beim Universum Gym unter Vertrag, wo schon die Klitschko-Brüder trainierten. Die fünf bis sechs Kämpfe pro Jahr, die der Promoter gefordert habe, habe sie nicht abliefern wollen, sagt Zimmermann. In dem viel kleineren EC Boxgym fühle sie sich deutlich wohler. „Wenn ich bei Universum am Boxsack stand, dann waren da immer drei Trainer um mich herum, die mir gesagt haben, was ich falsch mache.“ Im neuen Gym gehe alles etwas ruhiger zu.

Noch sieht man, dass Zimmermann eigentlich Kickboxerin ist. Ihre Beinarbeit ist mehr auf Tritte ausgelegt. Trainer Walther fordert sie immer wieder dazu auf, ihre Schläge gerade zu setzen. Trotzdem hat sie es geschafft, mit neun Siegen aus neun Kämpfen an die Spitze der Rangliste im deutschen Leichtgewicht zu klettern. Bis zum kommenden Sommer sollen nochmal drei Siege her, dann könnte sich die Chance auf einen Titelkampf ergeben. Andre Walther glaubt fest daran, dass sie das schaffen kann. „Ich würde sie nicht auf diesem Weg begleiten, wenn ich kein Vertrauen in sie hätte.“

Zimmermann selbst hat nicht weniger Vertrauen in sich. Ein Titelkampf in den USA gegen Katie Taylor wäre der absolute Höhepunkt ihrer Karriere, sagt sie. „Dann müsste ich sie aber auch ausknocken, damit die Richter mir den Sieg geben müssen“, sagt sie selbstbewusst. Die Ringrichter in den USA würden einheimische Kämp­fe­r*in­nen nämlich gerne bevorzugen.

Arbeit an der Defensive

Nach einer Runde im Ring mit Walther ist die Späteinsteigerin ganz schön geschafft. „Ich spüre meine Lunge“, prustet sie. Weil sie nach einer Coronaerkrankung fast durchgehend trainiert und gekämpft hatte, rieten ihre Ärzte dazu, sich die letzten vier Wochen freizunehmen und einen Kampf im Oktober abzusagen.

Ihre Gesundheit ist Zimmermann wichtig: „Im ersten Kampf wollte ich noch unbedingt auf den Knockout gehen und habe wie eine Berserkerin gekämpft. Jetzt versuche ich, defensiver zu kämpfen und möglichst wenig getroffen zu werden.“ Schließlich wolle sie auch noch die Zeit nach ihrer Karriere genießen. Sie würde gerne noch Mutter werden, wenn es mit dem Boxen vorbei ist, sagt Zimmermann. „Aber erst mal wird gechillt. Als Kampfsportlerin hat man keine Freizeit und ich arbeite ja auch noch.“

Disziplin von Kindheit an

Ihre Arbeit als Physiotherapeutin hilft ihr, zu erkennen, was sie ihrem Körper zumuten kann und was nicht. Auch aus ihrer Kindheit auf dem Bauernhof ihrer Eltern nahm sie viele wichtige Lehren mit. „Wir mussten uns immer vor und nach der Schule um die Schafe kümmern, jeden Tag.“

So habe sie früh Disziplin gelernt – und hart zu arbeiten. Eine Eigenschaft, die man ihr auch beim Boxen anmerkt. Ihrem großen Ziel ordnet sie alles unter: „Wenn man mich vor die Wahl stellen würde, entweder eine Million Euro oder einen WM-Titel zu bekommen, dann würde ich immer den WM-Titel nehmen.“ Beides gemeinsam ist im deutschen Frauenboxen bisher ohnehin unwahrscheinlich.

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