Hässlicher Wahlkampf: Niedersachsens CDU schnorrt bei AfD

Niedersachsens CDU wirbt mit rassistischer Hetze gegen „Clans“ für die Landtagswahl. Die Plakate sind jenen der Hamburger AfD zum Verwechseln ähnlich.

Ein blaues Plakat mit der Aufschrift "Keine Toleranz für Clans"

Bis zum geistigen Horizont der Konkurrenz gesprungen: Wahlkampfplakat der niedersächsischen CDU Foto: Mark Mühlhaus/attenzione/Agentur Focus

HAMBURG taz | Am 9. Oktober wählen die Niedersachsen ihren neuen Landtag. Die CDU fischt für ihre Wahlkampagne ziemlich weit am rechten Ufer. Von Cuxhaven bis Hannoversch Münden liest man auf CDU Plakaten: „Null Toleranz für Clans“. Mit ihrem hellblauem Hintergrund unterscheiden sich die Plakate der CDU kaum von früheren Wahlkampagnen der AfD.

„Weltoffen. Aber nicht für Banden und Clans!“ ist ein Slogan, der 2020 noch auf den Wahlplakaten der Hamburger AfD im Kampf um Stimmen für die Hamburger Bürgerschaft stand. Heute sind die CDU-Plakate denen zum Verwechseln ähnlich.

Der Koalitionspartner SPD kritisiert die Kampagne der CDU: Kriminalitätsphänomene wie „Drogenhandel, Cybercrime, Sexualisierte Gewalt gegen Kinder oder der Rechtsextremismus“ beeinflussten das Sicherheitsgefühl der Niedersachsen heute viel mehr, meint Ulrich Watermann, innenpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion.

Tatsächlich könne man nur 0,6 Prozent aller dokumentierten Straftaten in Niedersachsen auf „Clankriminalität“ zurückführen. Deshalb empfinde die SPD Niedersachsen die Fokussierung der CDU auf diese Thematik als „kritisch“.

Altbackenes Thema

Und dann sei die CDU mit dieser Kampagne auch noch weit hinter der Zeit. „Die von der CDU plakatierte Forderung ist mindestens seit 2018 in Niedersachsen bereits Realität“, sagt Ulrich Waterman von der SPD.

Die niedersächsische Landespolizei befasst sich bereits seit mehreren Jahren mit der Bekämpfung sogenannter Clankriminalität. Seit 2018 arbeiten Kommunen, Landkreise und die niedersächsische Polizei dabei eng zusammen. Das geht aus einer Pressemitteilung der niedersächsischen Landespolizei hervor.

Innenminister Boris Pistorius (SPD) hat dafür 2020 einen polizeilichen „Lagebericht zu Clankriminalität in Niedersachsen“ vorgelegt. Auch gibt es seit 2020 bei der Staatsanwaltschaft in Hildesheim eine „Zentral­stelle zur Bekämpfung krimineller Clanstrukturen“.

Zum politischen Schwerpunkt hat die Bekämpfung sogenannter Clankriminalität also SPD-Innenminister Boris Pistorius gemacht – was den moderaten Ton der SPD-Kritik an der Kampagne erklären könnte.

Auch andere parteipolitische Gegner der CDU äußern sich kritisch zu diesem Wahl­slogan. „Der Begriff Clankriminalität ist aus politikwissenschaftlicher Perspektive in jedem Fall rassistisch konnotiert“, sagt Michael Lühmann vom Göttinger Institut für Demokratieforschung, der selbst für die Grünen zur Landtagswahl antritt. Er wisse, dass Wahlplakate nie zufällig gewählt werden und immer ein bestimmtes Bild provozieren sollen.

Bewusst gewählt

Auch die Wahl der Farbe von Hintergrund und Schrift seien bewusst gewählt. Es erinnere ihn an die Wahlkampagnen von ÖVP und FPÖ bei der österreichischen Parlamentswahl 2019. Die ÖVP um Sebastian Kurz habe damals ähnliche Farben und Slogans wie die rechtspopulistische FPÖ gewählt und „schließlich rechte Politik gemacht“, sagt Lühmann. Heute sehe er bei der CDU ähnliches Wahlkampfverhalten.

Außerdem glaubt Lühmann, dass Niedersachsen in der kommenden Legislaturperiode vor weitaus größeren Problemen stehe: anhaltende Trockenheit, ständige Waldbrände, allgemeine Wasserknappheit – um nur einige zu nennen.

Auf taz-Nachfrage, ob die CDU Niedersachsen in Betracht gezogen habe, dass dieses Plakat rassistische Vorurteile befeuern könnte, kommt ein klares Statement: „Das Wahlplakat befördert keinerlei rassistische Vorurteile.“

Lühmann sieht das anders. Aus wissenschaftlicher Perspektive habe er den Anspruch, alle Begriffe, die er benutze zu hinterfragen. Dass der Begriff „Clankriminalität“ auch einer besonderen Betrachtung bedarf, stehe für ihn außer Frage.

„Es handelt sich sowohl um rassistische Äußerungen als auch darum, dass Vorurteile befördert werden“, sagt die Rassismusforscherin Lima Sayed von der Uni Hamburg nach einem Blick auf die Wahlkampagne der CDU. Der Begriff greife gleich mehrere Muster von Rassismus auf. Vor allem sei die Kriminalisierung migrantischer Männer einer der Rassismen, die hierzulande weitläufig akzeptiert seien und unhinterfragt blieben.

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