Demonstration gegen Sexualisierung: Oben ohne
Auf der Straße gegen einengende Kleiderordnungen unterwegs: Feminist*innen radeln in Hannover gegen Sexualisierung und Diskriminierung.
Hannover taz | Die herrschende Ordnung auf den Kopf stellen – zumindest die Kleiderordnung: Das haben am vergangenen Sonntag rund 50 Feminist*innen auf Rädern in Hannover erreicht. Während Frauen oben ohne demonstrierten, trugen Männer BHs oder Bikinis. „Boobs have no Gender“ – Brüste haben kein Geschlecht – war auf einem Rücken zu lesen, eine andere Person hatte ihre Brüste mit Blumen bemalt.
Dass Brüste kein Geschlecht haben, bringt das politische Ziel der Demonstration auf den Punkt. Aktuell bestimmt der Blick auf den Körper, zu welchem Geschlecht zugehörig eine Person gelesen wird. Dabei werden männliche und weibliche Brust sehr unterschiedlich bewertet. Gegen die Sexualisierung der weiblichen Brust und die Absurdität der unterschiedlichen Bewertung von nackten Oberkörpern richtete sich die Demonstration des Feministischen Rats Hannover. „Das Verdecken der weiblichen Brust ist Symptom von Sexismus und Patriarchat“, sagt Juana Zimmermann vom Feministischen Rat.
Dass der feministische Slogan „Bildet Banden!“ an Aktualität nichts eingebüßt hat, zeigte die Demonstration. Anlass waren laut Zimmermann unter anderem persönliche Vorfälle: Personen aus dem Kreis des Feministischen Rates wurden nackt am See gefilmt, der Mann hörte auch nach Aufforderung nicht damit auf. Spontan organisierte der Feministische Rat innerhalb weniger Tage die Demonstration. Ziel sei es gewesen, sich gemeinsam zu empowern und in der Gruppe weniger angreifbar zu sein.
Die weibliche Brust in der Öffentlichkeit zu zeigen, bedeutet nicht nur unfreiwillige Sexualisierung, es kann sogar strafbar sein. Als „Belästigung der Allgemeinheit“ gilt es als Ordnungswidrigkeit und kann mit einer Geldstrafe von bis zu 1.000 Euro bestraft werden.
Für bundesweites Aufsehen sorgte im vergangenen Jahr der Fall einer Frau in Berlin, die beim Sonnen oben ohne einen Polizeieinsatz auslöste und einen Platzverweis bekam. Neben der gemeinsamen Ermächtigung ging es den Demonstrant*innen deshalb auch darum, „ein Zeichen gegen die unfaire Gesetzeslage zu setzen und uns Räume zurückzuerobern!“, sagt die Aktivistin Kim Kindler.
Die Schwierigkeit, die mit dem Wunsch nach öffentlicher Aufmerksamkeit bei gleichzeitiger Gefahr von Sexualisierung verbunden ist, zeigte sich auf der Demonstration ganz direkt. Sie wurde von einem Aufgebot der Lokalpresse begleitet – und von Männern. „Unfassbar viele Männer haben gegafft und uns gefilmt“, erzählt Zimmermann. Gemeinsam hätten sie versucht, sich dagegen zu wehren – leider nicht immer erfolgreich. Auch sei auffällig gewesen, dass viele Pressevertreter*innen anwesend gewesen seien, die sich sonst wenig für feministische Anliegen interessieren. „Teile der Medien nutzen das Thema für Clickbaiting“, vermutet Zimmermann.
Damit bestätigten sie letztendlich den Anlass zur Demo. Während es für Männer normal ist, mit nacktem Oberkörper Sport zu machen oder am See zu liegen, werden Frauen begafft und gefilmt. Das zeigt, dass der Weg zur Gleichberechtigung noch ein weiter ist. Doch Aktionen wie die des Feministischen Rates sind ein starkes Zeichen für Verbündung und die Rückeroberung öffentlicher Räume. Nach Abschluss der Demo hätten einige Teilnehmer*innen noch gemeinsam im Park gesessen, sich ausgetauscht und vernetzt, sagt Zimmermann: „Insgesamt war es ein schöner und erfolgreicher Tag.“
Leser*innenkommentare
Jim Hawkins
Stellen wir uns mal dumm:
Wat ist en Sexualisierung?
"Betrachtung eines Objektes unter sexuellen Gesichtspunkten bzw. unter dem Aspekt der Sexualität, besonders wenn dieses Objekt diese Betrachtung von sich aus nicht evoziert."
Und wenn man weibliche Brüste einfach so erregend findet, wenn das Objekt diese Betrachtung von sich aus evoziert, was ist man dann?
Phandersaa
@Jim Hawkins Ich finde, wir sollten diesen ganzen Sexkram einfach sein lassen. Er macht uns mit den Tieren gemein. Ohne Sex wäre die Welt besser, gerechter und viele Probleme verschwänden von selbst.
Herr Lich
@Jim Hawkins Dann ist man ganz böse.
Mir würde es (bei solchen Aktionen) zu denken geben, dass es Männer gibt, die bereit sind Geld dafür auszugeben Frauen "oben ohne" zu sehen. Und die kommen natürlich auch zu solchen Aktionen.
Aber am Ende muss jeder für sich selbst entscheiden, wie er persönlich damit umgeht. Nur die Strafverfolgung in diesen Fällen (also Frau beim Sonnenbaden etc.), die ist echt albern und gehört abgeschafft.