Staatliche Neutralitätspflicht: Bayerns Kreuze sind nicht neutral

Urteil des VGH in München: Der bayerische Kreuzerlass verletzt die staatliche Neutralitätspflicht. Klagen wurden aber dennoch abgewiesen.

Ministerpräsident Markus Söder mit einem Kreuz.

„Passives Symbol ohne missionierende Wirkung“, Markus Söder 2018 mit seinem Kreuz Foto: Peter Kneffel/dpa

FREIBURG taz | Der bayerische Kreuzerlass ist rechtswidrig. Die Pflicht, in jeder Behörde ein Kreuz aufzuhängen, verstößt gegen die Neutralitätspflicht. Das stellte jetzt der bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in München fest. Die Klage des bayerischen Bunds für Geistesfreiheit (BfG) lehnte das Gericht dennoch ab.

Im April 2018 beschloss die bayerische Landesregierung: „Im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes ist als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns gut sichtbar ein Kreuz anzubringen.“ Dieser Kreuzerlass war eine der ersten Initiativen von Markus Söder als neuer Ministerpräsident. Betroffen sind über Tausend Behörden. Dagegen klagte der Bund für Geistesfreiheit, eine Art Atheistenverein, gemeinsam mit 25 Privatpersonen, darunter der Liedermacher Konstantin Wecker. Der Erlass verletze die staatliche Neutralität, die Kreuze sollen abgenommen werden.

Die bayerische Landesregierung lehnte dies jedoch ab. Sie sah die Neutralität nicht verletzt. Der bayerische Staat identifiziere sich hier nicht mit der christlichen Religion. Das Kreuz stehe vielmehr für ein „Bekenntnis zur christlich-abendländischen Tradition“.

„Die Anbringung von gut sichtbaren Kreuzen im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes verstößt gegen die Pflicht zur weltanschaulich-religiösen Neutralität“, heißt es nun aber ganz eindeutig in dem jetzt veröffentlichen Urteil des VGH.

Das Kreuz sei „Symbol einer religiösen Überzeugung“ und nicht nur Ausdruck der vom Christentum mitgeprägten abendländischen Kultur. Eine solche „Profanisierung des Kreuzes“ würde auch dem Selbstverständnis des Christentums entgegenlaufen. Und weil die Symbole anderer Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften nicht in gleicher Weise ausgestellt werden, bedinge der Kreuzerlass „eine sachlich nicht begründete Bevorzugung des christlichen Symbols“, betonen die Richter:innen.

Flüchtige Konfrontation mit dem Kreuz

Allerdings kann die Einhaltung der Neutralitätspflicht, so der VGH, weder vom Bund für Geistesfreiheit noch von Privatpersonen eingeklagt werden. Deshalb haben die Klagen keinen Erfolg. Rechtsschutz wäre nur möglich, wenn in ein Grundrecht eingegriffen wird. Das Kreuz im Eingangsbereich einer Behörde sei aber nur ein „passives Symbol ohne missionierende Wirkung“. Deshalb liege kein Eingriff in die Religionsfreiheit der Be­hör­den­be­su­che­r:in­nen vor. Diese seien nur flüchtig mit dem Kreuz konfrontiert.

Immerhin hat der VGH wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zugelassen. Der Bund für Geistesfreiheit kann dann insbesondere noch prüfen lassen, ob er als Weltanschauungsgemeinschaft gegenüber den Kirchen benachteiligt wurde.

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