Getöteter trans Mann Malte C.: Wider die Queerfeindlichkeit

Nach dem Tod von trans Mann Malte C. herrscht in Münster Fassungslosigkeit. Indes will die Regierung mehr gegen queerfeindlichen Hass tun.

Eine Person zündet eine Gedenkkerze an.

Gedenken an Malte C. in Münster am 2. September 2022 Foto: Friso Gentsch/dpa

BERLIN taz | Felix Adrian Schäper kann es noch immer nicht begreifen. „Knüppelhart“ bleibe die Nachricht vom Tod von Malte C., sagt der Vorstand vom Verein Trans-Inter-Münster am Montag. Fünf Jahre habe er den 25-Jährigen betreut, ihn bei der Geschlechtsanpassung begleitet. Wie ein Sohn sei Malte C. für ihn geworden, demnächst wäre er in eine neue Wohnung gezogen. Doch dann wurde der trans Mann vor einer Woche auf dem Christopher Street Day in Münster niedergeprügelt – und erlag am Freitag seinen Verletzungen. „Ich funktioniere“, sagt Schäper. „Aber die Sache bleibt unfassbar.“

Am Freitagabend stand Schäper auf dem Prinzipalmarkt in Münster, mit tausenden anderen, um Malte C. zu gedenken. CDU-Bürgermeister Markus Lewe hatte alle Flaggen an städtischen Gebäuden auf Halbmast setzen, am Rathaus gab es Trauerbeflaggung, ein Kondolenzbuch wurde ausgelegt. Nun ist Schäper schon wieder am Organisieren. Am Samstag trifft sich seine Selbsthilfegruppe wieder, auch dort wird es um Malte C. gehen, natürlich. „Das wird für viele nicht einfach. Wir müssen das alle noch verarbeiten.“ Und dann steht die Beerdigung an, Schäper rechnet mit Anfang Oktober. Zusammen mit C.s Pflegefamilie wolle man diese organisieren, sagt er. Zumindest hier soll es ein würdiger Abschied werden.

Malte C. hatte sich am Rande des CSD schützend vor mehrere Frauen gestellt, als diese von einem Mann laut Polizei als „lesbische Hure“ und „verpisst euch“ beschimpft wurden. Der Pöbler schlug ihm darauf unvermittelt zwei Mal ins Gesicht, C. knallte auf den Asphalt, lag im Koma – und verstarb sechs Tage später. Laut Staatsanwaltschaft Münster ergab die Obduktion als Todesursache ein schweres Schädel-Hirn-Trauma.

„Dann ist das klarer Totschlag“

Am Freitag nahm die Polizei den Verdächtigen fest: ein 20-jähriger, wegen Körperverletzung vorbestraft, laut Medienberichten ein Tschetschene, der mal Deutscher Junior-Meister im Boxen war. Er schweigt zu den Vorwürfen. Gegen ihn wurde ein Haftbefehl wegen Körperverletzung mit Todesfolge verhängt.

Sein Verteidiger tat bereits kund, einen Antrag auf Haftentlassung stellen zu wollen, weil eine Tötungsabsicht nicht bestanden habe. Für Schäper wäre das „vollkommen unverständlich“. Wenn der Verdächtige Boxer gewesen sei, müsse er gewusst haben, was er mit seinen Fäusten anrichten könne, findet er. „Dann ist das ein klarer Totschlag.“

Vorerst entlastet ist dagegen ein Begleiter des 20-Jährigen. Auch nach ihm hatte die Polizei gesucht, er stellte sich am Sonntag selbst. Nach der Befragung von ihm und Zeu­g:in­nen habe sich aber nicht erhärtet, dass er an den Beleidigungen oder dem Angriff beteiligt war, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Münster der taz.

Nach dem Tod von Malte C. gab es auch in weiteren Städten Kundgebungen. Vielfach wurde dort beklagt, das queerfeindliche Gewalt zugenommen habe. „Der Hass wird immer mehr“, sagte eine Red­ne­r*in in Münster.

Faeser und Lehmann versprechen Maßnahmen

Auch die Bundespolitik äußerte sich bestürzt. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte am Montag, die Bundesregierung stelle sich „konsequent“ gegen Diskriminierung und Gewalt. „Dieses Hassverbrechen muss mit aller Härte verfolgt werden.“ Queerfeindliche Kriminalität müsse „präzise erfasst und als solche klar benannt und verurteilt werden“. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) twitterte, der Angriff zeige, dass man „noch immer für die Gleichstellung und Akzeptanz aller Menschen kämpfen“ müsse. Und Sven Lehmann (Grüne), Queerbeauftragter der Regierung, forderte, die Tat müsse „die gesamte Gesellschaft und Politik auf allen Ebenen aufrütteln, LSBTIQ stärker gegen Anfeindungen zu schützen“.

Tatsächlich stiegen die Straftaten zuletzt an. Das BKA zählte 2021 insgesamt 870 Straftaten wegen „sexueller Orientierung“ – ein Anstieg um 50 Prozent zum Vorjahr. Im Feld „Geschlecht oder sexuelle Identität“, das auch transphoben Hass erfasst, waren es 340 Delikte, ein Plus von 66 Prozent. Letztere Kategorie wurde erst 2020 eingeführt. Und das Innenministerium selbst spricht von einer „hohen Dunkelziffer“.

Erst zu Beginn 2022 wurde die polizeiliche Erhebung erneut angepasst. Neben „sexueller Orientierung“ als Deliktfeld werden nun auch frauen-, männer- und „diversfeindliche“ Straftaten gesondert gezählt. Dies erlaube eine „noch genauere Erfassung und damit Analyse“, sagte eine Sprecherin des Innenministeriums der taz.

Verbände wie der LSVD fordern daneben schon länger auch einen Aktionsplan gegen Trans- und Homophobie ein. Der Queerbeauftragte Lehmann verschickte dafür zuletzt einen Entwurf an Verbände. Auch dort heißt es, dass die Sicherheitsbehörden queerfeindliche Gewalt genauer erfassen sollen. Auch soll ein Verbot von Diskriminierung wegen sexueller Identität mit ins Grundgesetz aufgenommen werden.

Am 20. September soll zudem im Innenministerium erstmals eine Arbeitsgruppe zur Bekämpfung homophober und transfeindlicher Gewalt treffen, mit Ex­per­t:in­nen aus Wissenschaft und Praxis, um weitere Handlungsempfehlungen zu beraten.

Und der Hass reißt nicht ab. Erst am Samstagabend wurde in Bremen eine 57 Jahre alte trans Frau laut Polizei in einer Tram von einer 15-köpfigen Jugendgruppe als „Scheiß Transe“ beleidigt. Die Jugendlichen, die 14 bis 16 Jahre gewesen sein sollen, rissen ihr die Perücke vom Kopf, einer schlug ihr unter Anfeuerungsrufen mehrfach mit Fäusten ins Gesicht. Sie erlitt schwere Gesichtsverletzungen.

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