Protest gegen Energie- und Sozialpolitik: Wem gehört der Montag?

Die Linke ruft zu einem „heißen Herbst“ auf, am Montag will die Parteispitze in Leipzig demonstrieren. Auch die AfD und andere Rechte wollen kommen.

Janine Wissler steht auf einem Platz vor einem roten Lastenrad mit der Aufschrift "Die Linke", umringt von wenigen Menschen

Nicht ganz Massenbewegung: Linke Wissler am Dienstag mit etwa 200 Menschen in Frankfurt (Oder) Foto: Patrick Pleul/picture alliance

LEIPZIG/FRANKFURT (ODER) taz | Sören Pellmann hat für das Gespräch einen geschichtsträchtigen Raum gewählt. Er sitzt im Karl-Liebknecht-Haus in der Leipziger Südvorstadt, der Geschäftsstelle der Leipziger Linken. Hier lebte einst der SPD-Gründer Wilhelm Liebknecht, hier wurde sein Sohn Karl geboren. Pellmann, direkt gewählter Bundestagsabgeordneter der Linken, der zuletzt erfolglos versuchte, auch Parteichef zu werden, hat im ehemaligen Wohnzimmer der Familie Liebknecht Platz genommen. Der 45-Jährige trägt ein schwarzes T-Shirt und dunkelblaue Jeans. Er hat in diesen Tagen viel zu tun.

Am Montag, 5. September, will Pellmann in Leipzig auf dem Augustusplatz stehen. Und mit ihm die Parteispitze: der Linken-Vorsitzende Martin Schirdewan, Fraktionschefin Amira Mohamed Ali, Publikumsliebling Gregor Gysi. „Heißer Herbst gegen soziale Kälte“ lautet der Titel, den Pellmann für die Kundgebung gewählt hat. Vor gut zwei Wochen rief er dazu auf und löste damit einigen Wirbel aus. Nun steht er nicht nur in Dauerkontakt zu seiner Partei, sondern auch zu Polizei und Ordnungsamt, muss Red­ne­r:in­nen organisieren, ihre Reihenfolge festlegen.

Pellmann will mit der Veranstaltung einen Protestreigen seiner Partei gegen die Energie- und Sozialpolitik der Bundesregierung eröffnen. „Es gibt großen Unmut in der Bevölkerung und das Verlangen, gegen die hohen Preise für Strom und Gas zu protestieren“, sagt er. „Wir dürfen dieses Thema und die Straßen nicht den Neonazis überlassen, sondern müssen den Protest links besetzen.“ Mit 3.000 bis 4.000 Menschen rechnet er zum Auftakt, wegen der bundesweiten Berichterstattung vielleicht auch mehr.

Damit dürfte der Montag zum ersten größeren Linken-Protest des Herbsts werden – und zu einer doppelten Nagelprobe. Gelingt es der in einer Existenzkrise steckenden Partei, breitere Sozialproteste gegen die Energiepolitik der Bundesregierung zu organisieren? Und: Schafft sie es, sich dabei von Rechtsextremen abzugrenzen, die auch auf das Thema setzen?

Die „Freien Sachsen“ jubelten über den Demo-Aufruf eines Linken

Die Rechtsextremen haben sich am Montag schon mal zu Pellmanns Demo angekündigt. Diese sei „für Patrioten und Freiheitsfreunde eigentlich ein Muss“, erklärt Jürgen Elsässer, Herausgeber des rechtsextremen Compact Magazins, in einem Video. „Weil das Regime sich schwertun wird, eine Demo, die von einem Linken organisiert wird, gleich in die Naziecke zu rücken.“ Von bis zu 50.000 Leuten fabuliert Elsässer. Wenn man da mit Deutschland- oder Russlandfahnen komme, „fällt das überhaupt nicht auf“.

Die „Freien Sachsen“, eine rechtsextreme Splitterpartei um den Anwalt Martin Kohlmann, zuletzt Antreiber der Coronaproteste im Freistaat, mobilisieren auch für Leipzig. „Das ist ein Zeichen“, jubelten sie, als Pellmann zur Demo aufrief. „Nächsten Montag steht die Bürgerallianz auf dem Augus­tus­platz.“ Man dürfe sich „nicht mehr künstlich in verschiedene Lager spalten lassen“. Beworben wird das mit einem Bild, auf dem Kohlmann, Elsässer, Pellmann und Gysi scheinbar gemeinsam zum Protest aufrufen.

Die AfD steigt auch mit ein. „Wir freuen uns, dass nun auch Teile der Linkspartei aufgewacht sind“, kommentierte der sächsische AfD-Abgeordnete Sebastian Wippel den Aufruf. Dies sei eine Chance, mit „vereinten Kräften“ auf die Regierung einzuwirken. Auch AfD-Bundeschef Tino Chrupalla sagte zu möglichen Montagsdemos, dass „Links-rechts-Schablonen“ nicht mehr funktionierten.

Im Notfall soll die Polizei helfen

Pellmann verwahrt sich gegen die Umarmungsversuche. Gegen den Fake-Aufruf der Freien Sachsen klagen er und Gysi. Falls die Rechtsextremen wirklich auftauchen sollten, würden sie von der Demonstration ausgeschlossen, sagt er – zunächst von den Ordner:innen, und falls das nicht klappe mithilfe der Polizei. Es werde weder Nationalflaggen noch Plakate aus dem rechten Spektrum geben. „Wir haben das Hausrecht und können als Veranstalter sagen, dass Rechte und Neonazis nicht geduldet sind.“

Versammlungsrechtlich ist das allerdings nicht so leicht, erst bei einer „groben Störung“ kann die Polizei eingreifen. Und es hängt auch davon ab, ob die Linken am Montag überhaupt deutlich in der Mehrzahl sind.

Die Amadeu-Antonio-Stiftung warnt bereits vor einem „Herbst der Demokratiefeindlichkeit“ und einem „Flächenbrand“. Aus der Szene der Coronaprotestierer habe sich ein demokratiefeindliches Milieu entwickelt, das „so selbstbewusst wie nie“ auftrete. Thüringens Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer erwartet bei größeren Energieengpässen Proteste, gegen welche die jüngsten Coronademonstrationen „ein Kindergeburtstag“ waren. Im sächsischen Landesamt und im Bundesamt für Verfassungsschutz sieht man dagegen noch keine Anzeichen für Großmobilisierungen.

David Begrich, Soziologe vom Verein Miteinander aus Sachsen-Anhalt, beobachtet die rechtsextreme Szene seit Jahrzehnten. „Es gibt noch keinen Anlass, rechtsextreme Systemstürze zu beschreien“, sagt er. „Noch ist vieles die übliche, szeneinterne Aufstandsbeschwörung.“ Die geballte Mobilisierung sei aber auffällig. Wie der Herbst verlaufe, hänge von vielem ab: Wie schwer die Krise werde. Wie die Regierung reagiere. Und wie viele demokratische Protestangebote es gebe, jenseits der rechtsextremen.

Tatsächlich schwenkten die Freien Sachsen schon vor Wochen von Corona auf Energiekosten um. „Es wird Zeit für die Welle der Energieproteste!“, heißt es dort. Die Regierung aus „Klimafanatikern und Russlandhassern“ fahre „das Land an die Wand“. In Kürze will auch die AfD ihre Kampagne „Unser Land zuerst“ vorstellen. Parteichef Chrupalla kündigte an, dann wöchentlich auf die Straße zu gehen. Für den 8. Oktober bewirbt er eine geplante Demo in Berlin. Titel: „Nord Stream 2 statt Gasumlage“. In Magdeburg soll wie in Leipzig bereits am Montag gegen die „Preisexplosion“ demonstriert werden.

Dass die Rechtsextremen geballt auf das Thema Soziales setzen, kommt nicht überraschend. Schon 2004, bei den bundesweiten Montagsdemonstrationen gegen die Einführung von Hartz IV, versuchten sie sich mit „Wir sind das Volk“-Parolen einzureihen. Und sie machen keinen Hehl daraus, dass sie mehr als nur Kritik an der Energiepolitik im Sinn haben.

„Es geht um nichts weniger als die Zerstörung Deutschlands“, bläst Thüringens AfD-Chef Björn Höcke den Protest zur Schicksalsfrage auf. Zuvor lobte er das Buch „Systemfrage“ von Autor Manfred Kleine-Hartlage als „brillant“. Der legte eine regelrechte Anleitung zum Umsturz vor – inklusive Verbot von Parteien, juristischen Schritten gegen politische Gegner, die Zerschlagung von öffentlich-rechtlichen und privaten Medien sowie die Marginalisierung von Kirchen und Universitäten.

Die AfD hatte schon bessere Zeiten

Das Getöne gehört aber auch zur rechtsextremen Strategie. Offen bleibt, wie viel daraus folgt. Denn auch die AfD hatte schon bessere Zeiten – und sie hat ein inhaltliches Problem: Die Partei ist in weiten Teilen extrem Putin-nah. Bei ihrer Kritik lässt sie deswegen meist den Verursacher der Gasengpässe aus: Putins Russland. Stattdessen fordert sie die Rücknahme sämtlicher Sanktionen und die Inbetriebnahme der Ost­see­pipe­line Nord Stream 2.

Zugleich ringt die Partei auch um Distanz zu den Freien Sachsen, die auf ihrer Unvereinbarkeitsliste stehen. Man habe es nicht nötig, mit diesen auf die Straße zu gehen, erklärte Chrupalla – worüber sich die Kleinstpartei prompt empörte.

Nicht nur in der Linkspartei beobachten dennoch viele mit großer Sorge die rechten Vereinnahmungsversuche. Der Sozialverein Tacheles betont etwa, dass es überfällig sei, zu protestieren. Gleichzeitig dürfe es „mit Rechten und Nazis in keinem Fall ein gemeinsames Handeln geben“.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow kritisierte Sören Pellmann, weil dieser ausgerechnet zu Montagsdemos aufrufe. Es sei wichtig, Abstand zu rechtsradikalen Organisatoren zu halten. „Die Rechten wurden zu Recht kritisiert, als sie sich der Symbolik der Montagsdemonstrationen bemächtigt haben“, sagte Ramelow mit Blick auf Pegida und deren Ableger. Die sächsische Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz warnte vor einer „Querfront“. Und die Linken-Bundestagsabgeordnete Martina Renner forderte eine klare Abgrenzung und ein progressives Bündnis, von Gewerkschaften bis Fridays for Future, in „engen Absprachen“ mit lokalen Antifa-Gruppen.

Eine One-Man-Show?

Noch deutlicher wird Juliane Nagel, Linken-Stadträtin in Leipzig und direkt gewählte Landtagsabgeordnete. „Pellmann hat weder mit der Leipziger Linken noch mit der Bundespartei abgesprochen, die Montagsdemonstrationen als Anknüpfungspunkt für die Proteste zu nehmen“, sagt sie am Telefon. „Ich halte Proteste gegen die drohende soziale Krise für absolut richtig, sie sollten aber nicht in der Tradition der Montagsdemos stattfinden – gerade nicht in Sachsen.“ Während es in Leipzig vielleicht noch gelingen könne, „die Montage mit einem linken Protest zu füllen“, habe man in kleineren Orten Sachsens keine Chance. „Hier gehen Menschen auf die Straße, die erst gegen die Asylpolitik protestierten, dann gegen die Coronaregeln und nun gegen die Russlandpolitik. Es ist einfach keine erfolgversprechende Idee, die Montagsdemos zu okkupieren.“

Zwei Frauen mit Schildern um den Hals: Wir sind das Volk demonstrieren gegen Hartz 4 Gesetze

Massenbewegung: Der Widerstand gegen Hartz IV brachte 2004 viele ­auf die Straße (hier in Magdeburg) Foto: Hans-Peter Stiebing

Juliane Nagels Wort hat in der linken Szene Leipzigs Gewicht. Im Stadtteil Connewitz genießt sie eine Art Heldinnenstatus, hier liegt ihr Büro Linxxnet, ein Treffpunkt der linken Szene. Doch auch Pellmann ist populär: Bei den Bundestagswahlen 2017 und 2021 gewann er in Leipzig Direktmandate – und sicherte der Linken so zuletzt auch den Fraktionsstatus im Bundestag. Das jüngste Scheitern bei der Parteivorsitzendenwahl quittierte er dagegen mit Groll, weshalb einige in der Partei seinen Vorstoß als erneuten Profilierungsversuch sehen.

Nagel warf Pellmann auf Twitter eine „Leuchtturm-One-Man-Show“ vor, zu der er Prominenz einlade, aber Bemühungen um gesellschaftliche Bündnisse ignoriere. Sie erzählt, wie das Linxxnet bereits Anfang August ein Treffen in Leipzig mit sozialen Initiativen, Gewerkschaften, Mie­te­r:in­nen­ver­ei­nen und Klimagruppen organisierte, um Proteste gegen die soziale Krise zu planen. „Die Einladung hat auch Sören Pellmann erreicht. Trotzdem ist er alleine vorgeprescht und hat uns nicht mit eingebunden.“ Es brauche über die Partei hinaus aber eine breit getragene Bewegung.

Trotz ihrer Kritik mobilisiert Nagel aber auch für den 5. September. „Wir müssen dafür sorgen, dass es eine linke Veranstaltung bleibt.“ Sie selbst habe dafür eine Demonstration angemeldet, die zum Augustusplatz führt. Und auch die linksradikale Szene mobilisiert inzwischen dorthin. „Heißer Herbst wir sind dabei“, heißt es dort. Man dürfe „Massenproteste nicht den Nazis überlassen“.

Spricht man Pellmann auf die Kritik an seiner „One-Man-Show“ an, sagt er: „Ich wäre gar nicht in der Lage, das alleine hinzubekommen.“ Dann erzählt er, wie er zuerst Netzwerke in der Partei knüpfte – in der Fraktion, dem Parteivorstand, dem Landesverband und der Leipziger Linken. Danach habe er Kontakt zur IG Metall und dem DGB aufgenommen, zu den Sozialverbänden VdK und Volkssolidarität, zur Tafel, zum Leipziger Erwerbslosenzentrum und dem Aktionsbündnis „Leipzig nimmt Platz“. Wer alles mitmache, stehe noch nicht endgültig fest, aber es würden täglich mehr.

Und der Montagstermin? Darauf zu verzichten, hält er für falsch. „Ich demonstriere, seit ich 13 Jahre alt bin, gegen Nazis und Faschisten und bin der festen Überzeugung, dass es keinen Wochentag gibt, an denen man ihnen die Straßen überlassen darf – auch den Montag nicht.“

Die Linken-Bundesspitze stellt sich inzwischen hinter Sören Pellmann. Zwar betont Parteichefin Janine Wissler, dass dessen Protest nicht vom Parteivorstand, sondern in Leipzig und von der Bundestagsfraktion organisiert werde. Aber auch Wissler ruft zu einem „heißen Herbst“ auf. Die Entlastungen der Ampel seien „viel zu gering und sozial unausgewogen“. Es komme nun auf die Linke an, Druck zu machen. Am 17. September, einem Samstag, soll es einen bundesweiten Aktionstag geben,: „Je stärker die Proteste von links sind, desto kleiner werden die von rechts sein“, sagt Wissler. Klar sei: Wo immer die Linke Proteste organisiere, dürften keine rechtsextremen Transparente oder Red­ne­r:in­nen akzeptiert werden.

Tatsächlich ist die Energiekrise ein Momentum, das die Linke ergreifen muss, will sie noch eine Daseinsberechtigung haben. Die Frage ist nur, ob sie zu Großprotesten noch in der Lage ist. In Umfragen klebt sie an der 5-Prozent-Hürde, im Osten schrumpft sie, im Westen ist sie teils nicht mehr existent. Wissler verweist dagegen auf 254 Linken-Kreisverbände, die Material für die Protestkampagne angefordert hätten.

Am vergangenen Dienstagabend steht Wissler auf dem graugepflasterten Marktplatz in Frankfurt (Oder). Die lokale Linke hat hier erstmals zum „Dienstagsprotest“ aufgerufen, zusammen mit Verdi, dem DGB und dem Aktionsbündnis Frankfurter Montagsdemo, das schon 2004 demonstrierte. „Schluss mit teuer“, lautet der Slogan, dem 200 Teilnehmende folgen – Rentnerinnen, mittelalte Pärchen, Parteinachwuchs mit Fahne. Einige haben Kochtöpfe mitgebracht, um mehr Lärm machen zu können.

Die Linke wird sich auch von Putin-Freunden in den eigenen Reihen abgrenzen müssen

„Es ist höchste Zeit, dass die Menschen auf die Straße gehen“, ruft Wissler ins Mikrofon. Es brauche einen Preisdeckel für Gas und Strom, das Einstampfen der Gasumlage, eine Übergewinnsteuer. Die Dienstagsprotestler applaudieren, dann drehen sie eine Minirunde durch die Innenstadt, Wissler mit dem Frontbanner vorneweg.

Rechtsextreme und AfD-Leute sind in Frankfurt (Oder) nicht zu erkennen. Demo-Anmelder Joachim Wawrzyniak, ein Verdi-Mann, hatte sich vorbereitet. „Wären die Rechtsextremen wirklich in Masse gekommen, hätte ich das abgebrochen.“ Allerdings: Die Rechten kamen auch deshalb nicht, weil sie schon tags zuvor mit ihrem „Montagsspaziergang“ demonstrierten – und zwar in noch größerer Zahl.

Wer dagegen gekommen ist, sind offensichtlich Russlandfreunde. „Durch die Politik der Ampel bezahlen wir den Krieg der USA gegen Europa“, heißt es auf einem Banner. Auf dem eines anderen Mannes steht: „Nicht Russland ist das Problem, sondern der Kriegstreiber USA.“ Der Mann wird von Ordnern hinausgebeten. Doch in Gesprächen in der Menge wird klar: Er ist nicht allein mit seiner Meinung.

Auch Wagenknecht sollte dabei sein

Darauf angesprochen, verweist Wissler auf den jüngsten Parteitagsbeschluss, der den „verbrecherischen Angriffskrieg Russlands“ verurteilt.

Klar ist aber: Die Abgrenzung bei den Protesten der Linken wird auch gegen Putin-Freunde in den eigenen Reihen zu führen sein. Wie hart sie Sören Pellmann führen wird, ist dabei unklar. Im Wahlkampf 2021 trat er mit dem russischen Generalkonsul auf, noch zuletzt kritisierte er einen „Wirtschaftskrieg mit Russland“.

Und Pellmann wollte eigentlich auch Sahra Wagenknecht auf seiner Demo als Rednerin haben. Mit ihrem russlandfreundlichen Kurs findet sie auch in weit rechten Kreisen Anklang. Inzwischen ist Wagenknecht wieder ausgeladen worden, auf Druck der Parteispitze, wie sie in einer SMS beklagte. Wissler und Pellmann bestreiten eine Ausladung von oben. Pellmann aber betont, die Diskussion sei „sehr bedauerlich“. Gerade jetzt brauche es „eine geschlossene Linke“.

Die Freien Sachsen mobilisieren derweil weiter zu Pellmanns Kundgebung. Der fügte seinem Aufruf deshalb hinzu, dass „Rassisten, Neonazis und Demokratiefeinde bei uns nichts zu suchen haben“. Und er verweist darauf, dass die Rechten inzwischen eigene Kundgebungen auf dem Augustusplatz angemeldet hätten – eine wirkliche Unterwanderung sei also nicht mehr geplant.

Experte David Begrich will sich das vor Ort anschauen. „Es wird am Montag darauf ankommen, wer am Ende die Bilder bestimmt“, sagt er. Ob wirklich eine große Protestwelle im Land folge und welche Richtung sie nehme, entscheide sich aber nicht in Leipzig, sondern in den kleinen Städten. „Es hängt an den politisch nicht Verorteten, welche Angebote man ihnen macht und auf welche sie eingehen.“ Für Begrich spricht einiges dafür, dass so am Ende politisch heterogene Proteste entstehen, mit von Region zu Region anderer Ausrichtung.

Entscheidend dürfte auch das Agieren der Sozialverbände und Gewerkschaften sein. Mit Protestaufrufen hält man sich dort bisher zurück – auch weil derzeit noch Gespräche wegen der „Konzertierten Aktion“ mit der Regierung und den Arbeitgebern laufen. Man wolle zunächst die konkreten Beschlüsse der Regierung abwarten, heißt es von Verdi. Entschärften diese aber nicht die Probleme, sei Protest „ein angemessenes Mittel“.

Wissler gibt sich gelassen

Ulrich Schneider, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, sieht den Protestherbst bereits fest kommen: „Wir gehen davon aus, dass im Herbst viele NGOs ihren zivilgesellschaftlichen Protest für eine solidarische, sozial und ökologisch gerechte Krisenbewältigung auf die Straße bringen.“ Man führe dazu bereits Gespräche, in zwei Wochen habe man Klarheit, „wie wir aktiv werden“. Welches Potenzial besteht, wenn die Verbände in den Protest mit einsteigen, zeigte sich bei den Montagsdemonstrationen vor 18 Jahren: Bis zu 100.000 Demonstrierende gingen damals auf die Straße. Auch bei den jüngsten „Unteilbar“-Aufzügen waren es Zehntausende.

Pellmann will nun wöchentlich auf die Straße gehen. In Frankfurt (Oder) will die Linke Gleiches tun, jeden Dienstag. „Total zufrieden“ sei sie mit dem Auftakt, sagt Janine Wissler dort. Dass 200 Teilnehmende weit von Massenprotesten entfernt sind, sieht sie gelassen. Vor knapp 20 Jahren schon habe sie den Ableger der Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV in Frankfurt am Main mitorganisiert. Da seien anfangs auch nur wenige Hundert Leute gekommen. „Am Ende war es eine bundesweite Bewegung.“

Und Wissler erinnert sich auch, wie damals schon Rechtsextreme versuchten, an die Proteste anzudocken. „Hätten wir uns da zurückziehen sollen?“, fragt sie. „Nein. Hätten wir das gemacht, dann wäre die AfD schon 2005 entstanden.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.