Iwouldprefernotto

Foto: Fo­to:­Jo­el Kowsky/NASA/ap

Da steht sie nun, 98 Meter hoch: Artemis 1, die erste Rakete vom Typ „Space Launch System“ (SLS), bereit, auf den Mond zu fliegen. Starttermin: 29. August.

Ein Ereignis, auf das die Menschen schauen, das starke Gefühle hervorruft. Weil man es hasst, aus ökologischen Gründen (CO2!) oder aus verirrter Küchenspsychologie (Raketen sind – knickknack – phallisch, „Nuff said“, usw). Oder weil man es liebt, aus wissenschaftlichen Gründen (früher oder später müssen wir lernen, im Weltall zu leben), aus emotionalen Gründen (Raketen, Feuer, Wumms, geil!) oder aus nostalgischen (Mondreisen wie in den 1970ern, als die Welt noch in Ordnung war).

Da steht sie also und zwar immer noch. Denn Artemis 1 ist nicht abgehoben. Sie hat das Spiel nicht mitgespielt, sie hat sich dem Trubel verweigert. Es sei nicht gelungen, Triebwerk 3 „in den richtigen Temperaturbereich für den Start“ zu bringen, sagt die NASA.

Ja, sicher.

Kennen wir das nicht alle? Misslingt es uns nicht auch öfters, unsere Triebwerke in den richtigen Temperaturbereich für den Tag zu bringen? Und dann gehen wir doch meistens raus, fahren zur Arbeit oder in die Schule, machen all diese Dinge, von denen wir denken, dass wir sie tun müssen. Artemis 1 wollte das nicht. Von SLS ist es kein großer Schritt zu BLB (Bartleby), dem großen Komplettverweigerer der Weltliteratur. „I would prefer not to“, sagt er immer wieder. „Ich möchte lieber nicht.“ Heute den Vertrag aufsetzen? Ich möchte lieber nicht. Heute mal die Küche putzen? Ich möchte lieber nicht. Heute ins Weltall fliegen? Ich möchte lieber nicht.

Wir dachten, die Revolution der Maschinen wird ein Weltenbrand, eine Diktatur, wie in den „Terminator“- oder „Matrix“-Filmen. Das stimmt nicht. Sie wird ein Akt des passiven Widerstands.

Nun soll die Artemis 1 am Samstag abheben, um 20.17 Uhr deutscher Zeit. Wenn das Wetter mitspielt. Na sicher! Zwei Stunden beträgt das Zeitfenster, die sind schnell vorbei. Eine SLS-Rakete soll 13 Tankzyklen überstehen und bis zu 180 Tage an der Startrampe verharren können. Die Verweigerungshaltung, sie wurde gleich mitkonstruiert.

Steigt die Artemis 1 aber doch irgendwann in den Himmel hinauf, dann wird es eine Reise ohne Wiederkehr. Denn anders als die Raketen in Elon Musks Space-X-Projekt ist sie ein Einwegprodukt, sie stürzt kurz nach dem Start ins Meer. Der Maschinenstreik der Artemis, er geschieht vielleicht auch aus Angst vor der eigenen Endlichkeit. Wer kann es ihr verdenken? Michael Brake