Kurs der EZB: Eine Rezession ist absehbar

Die Europäische Zentralbank will die Zinsen erhöhen. Das ist unklug, denn damit würde sie die nicht mehr aufzuhaltende Wirtschaftskrise verschärfen.

Das Gebäude der Europäischen Zentralbank vor Wolkenhimmel

Das Gebäude der Europäischen Zentralbank in Frankfurt Foto: S. Ziese/blickwinkel/imago

Selten war die ökonomische Lage so verwirrend wie derzeit: Die Energiepreise explodieren, die Inflation klettert auf Rekordniveau, die Reallöhne sinken, der DAX bricht ein und der Eurokurs fällt immer weiter. Da kann man schnell den Überblick verlieren – und den Zentralbanken scheint er abhanden gekommen zu sein, denn sie denken darüber nach, die Zinsen zu erhöhen. EZB-Direktorin Isabel Schnabel sagte am Wochenende, man werde mit „starker Entschlossenheit“ die Inflation bekämpfen.

Die Inflation im Euroraum lag zuletzt bei enormen 8,9 Prozent, was natürlich weit entfernt ist von dem EZB-Ziel, die Geldentwertung auf knapp 2 Prozent zu begrenzen. Aber wie jeder weiß, wird diese Inflation vor allem durch die hohen Energiepreise getrieben – die Europa nicht direkt beeinflussen kann. Putin wird den Gashahn nicht wieder aufdrehen, nur weil die EZB ihre Zinsen angehoben hat.

Höhere Zinsen bringen nichts, schaden aber, weil sie die Kosten für Unternehmen und Häuslebauer weiter erhöhen. Die EZB würde die Wirtschaftskrise verschärfen, die sich sowieso schon abzeichnet. Der Ökonom Sebastian Dullien hat kürzlich ausgerechnet, wie viel Geld Deutschland in den nächsten Monaten allein für seine Energieimporte ins Ausland überweisen muss: Er kam auf die gigantische Summe von rund 280 Milliarden Euro. Früher hätte die gleiche Energiemenge nur 52 Milliarden Euro gekostet.

Wenn diese Milliarden ins Ausland abfließen, fehlen sie in Deutschland als Nachfrage. Denn die meisten Haushalte werden ihren Konsum einschränken, um ihre Heizrechnung bezahlen zu können. Der Staat muss natürlich dafür sorgen, dass die Bedürftigen unterstützt werden. Trotzdem kann die Bundesregierung nicht alle Löcher stopfen. Eine Rezession ist also abzusehen.

Übrigens wird diese Krise automatisch dafür sorgen, dass die Inflationsrate wieder sinkt. Wenn die Wirtschaft einbricht, wird weniger Energie verbraucht, so dass die Preise für Öl und Gas nachgeben. Der beste Kurs für die EZB wäre daher: einfach abwarten. Ganz falsch ist es jedenfalls, die Krise zu verschärfen.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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