Die Wahrheit: Ein Restsommertag

Was passiert, wenn man an einem brühheißen Tag die Wohnung verlässt, und nach 41-jähriger Pause beschließt, ein Spaghetti-Eis zu verzehren?

Hier und heute möchte ich mit einem Zitat beginnen, das ich jüngst irgendwo las und, bevor ich es verdrängt hatte, in einem Anfall von sinnlosem Sammelwahn sogar fotografierte, weshalb ich es hier noch einmal, ja ein letztes Mal, referiere: „Ein farbenfroher Look kann den selben Effekt haben wie ein lustiger Spieleabend mit guten Freunden.“

Ausgehend von dieser ernsten Drohung, aufgrund derer der modische sowie der amikale Super-GAU nur noch eine Frage der Zeit sein können, denkt man dieses sinnlos konnotierte Zitat zu Ende, will ich nahtlos und unzusammenhängend anheben, auszugsweise einen Restsommertag zu schildern, so wie er mir jüngst begegnete.

In den noch frühen und darob noch nicht so heißen Morgenstunden dieses zu beschreibenden Restsommertags befand ich mich traumverloren in einem ausnahmsweise schnellen ICE-Zug. Im Traum erscholl quer und längs durch den Waggon die Durchsage: „Mein Name ist der Marcel Balzer, und wir haben Fahrzeitreserven.“ Wie ich noch so zwischen meinen kühlen Laken lag und vor mich hinträumte, geriet mir die Wirklichkeit als Wachzustand in diesen traumhaften Traum hinein, denn wer möchte nicht auch im sogenannten echten Leben „Fahrzeitreserven“ haben.

Humorloses Pack

Und da fiel es mir an jenem Restsommertag auch schon wieder ein, und draußen ward es auch schon wieder wärmer: Diesen Satz hatte ich wirklich und leibhaftig einst in einem ICE-Zug als schnarrende Lautsprecherdurchsage vernommen. Mir fiel auch wieder im Aufwachen ein, dass ich damals lachend losgeprustet, jedoch keiner im Speisewaggon mitgelacht hatte. Humorloses Pack.

Als mir das alles wieder eingefallen war, stand ich auf. Es war mittlerweile später als vorher im Traum, und ich verließ die Wohnung. Draußen war es an diesem Restsommertag mehr als sehr warm, es war nachgerade brühheiß. Ich beschloss, nach einer 41-jährigen Pause ein Spaghetti-Eis zu verzehren.

Wenig später nahm ich Platz an einem Draußentisch der mir nächstliegenden Eisdiele. Diverse Schreie in allen Tonlagen erschollen hier, da, dort. Im Gedächtnis auf ewig und als Zugabe zum Eis geblieben ist mir bis heute ein präpotentes Männchen namens Fightbig Fish, jedenfalls stand Letzteres auf seinem knallrot leuchtenden T-Shirt, das aufs Gewaltigste mit seinem rothaarigen Pumuckl-Schopf korrespondierte.

Fightbig Fish, Alter circa zwei, besaß Kräfte, die weit über Schlumpfeis hinausgingen, das spürte ich sofort, obwohl ich mein Spaghetti-Eis noch gar nicht intus hatte. Als ich es schließlich so genüsslich wie gequält vertilgte, hatte Fightbig Fish bereits ein herumstehendes Zitronenbäumchen entwurzelt und eiskalten Artilleriebeschuss eingeleitet. Ja, Fightbig Fish in seinem farbenfrohen Look hatte definitiv noch Fahrzeitreserven. Fazit: Ein traumhaft lustiger Restsommertag!

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Seit 2013 bei der taz-Wahrheit, zeitweise auch Themenchefin in der Regie und Redaktionsrätin. Außerdem Autorin mit Schwerpunkt Frankreich-Themen

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

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