LBGTQ in Serbien: EuroPride findet nicht statt

Präsident Aleksandar Vučić sagt die Veranstaltung ab, angeblich sei das Risiko zu groß. Die Or­ga­ni­sa­to­r*in­nen wollen das nicht akzeptieren.

Eine Menschenmenge, die Menschen tragen unter anderem ein Transparent mit einem Bild von Wladimir Putin

Protest gegen die Europride in Belgrad am vergangenen Sonntag Foto: Andrej Cukic/epa

BELGRAD taz | Stolz war die EuroPride 2022 in Belgrad vom 12. bis 18. September als die erste europäische LGBTQ-Veranstaltung im Südosten Europas angekündigt worden. Als weltoffen und tolerant wollte sich die serbische Hauptstadt präsentieren und mit dem Image eines verbohrten Landes aufräumen, wo Angehörige sexueller Minderheiten verprügelt werden und Familie ausschließlich als Verbindung zwischen Mann und Frau mit möglichst vielen Sprösslingen definiert ist. Immerhin ist das Balkanland EU-Beitrittskandidat, obwohl Serbien es als einziger europäischer Staat ablehnt, gegen Russland Sanktionen wegen des Ukrainekriegs zu verhängen.

Gäste aus ganz Europa hatten Flugtickets und Hotels gebucht, mancher europäischer Politiker hatte für diesen Zeitraum extra eine Dienstreise nach Serbien angekündigt. Man freute sich auf ein heiteres Zelebrieren der Rechte von LGBTQ-Menschen.

Doch dann wurde dem Frohsinn von höchster Stelle abrupt ein Ende gesetzt. Zuerst sprach der allmächtige Staatschef Aleksandar Vučić von einem „Aufschieben“ der Pride. Mit seinem einzigartigen Charme redete er über seinen „Ekel“ – sowohl vor den Teil­neh­me­r*in­nen als auch vor jenen, die diese verprügeln wollten. Und das alles in diesen Weltuntergangszeiten, als ob der Staat und er selbst nicht Besseres zu tun hätten.

Die Regierung von seinen Gnaden (noch dazu eine technische, obwohl vorgezogene Parlamentswahlen am 3. April stattgefunden hatten) bestätigte das Machtwort des Chefs: Wegen des erhöhten Risikos für Recht und Ordnung seien die Bedingungen für die EuroPride nicht gegeben, hieß es. Die lesbische Regierungschefin Ana Brnabić tat und sagte rein gar nichts. Die Or­ga­ni­sa­to­r*in­nen protestierten. Ein Verbot sei verfassungswidrig, sagten sie, gaben sich kampflustig und taten so, als ob noch nichts entschieden sei.

Prozession der Erlösung

Der serbisch-orthodoxe Bischof Nikanor der Diözese Banat führte am Sonntag in Belgrad eine „Prozession zur Erlösung Serbiens“ an. Er begrüßte das Verbot – diesen „Versuch, unser Land, unsere Kirche und unsere Familie zu schänden“ – und glorifizierte Russlands Präsidenten Wladimir Putin als „Kaiser des Planeten, den wir Erde nennen“, weil Putin die „Anomalien“ verboten habe, die der Westen Serbien habe aufdrängen wollen.

Derselbe Bischof hatte vor einigen Wochen in Zusammenhang mit der EuroPride von „Kranken“ gesprochen und bedauert, dass er keine Waffen hätte. Die Kirchenspitze schwieg dazu. Tausende Menschen, die mit christlichen Symbolen durch Belgrad marschierten, waren friedlich, die Staatsspitze hatte sie ja beruhigt. Die Bikergruppe Nachtwölfe, auch „Putins Biker“ genannt, begleitete die Prozession.

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