Stand-up-Paddling auf der Spree: „Es holt einen komplett runter“

Immer mehr Menschen paddeln auf einem Brett stehend die Spree entlang. Severine Scala betreibt den „StandUpClub Berlin“ am Funkhaus in Lichtenberg.

Ist doch ganz einfach: Severine Scala macht vor, wie Paddeln im Stehen geht Foto: Karlotta Ehrenberg

Plitsch … platsch … plitsch … und platsch. Für mich gibt es kaum etwas Entspannenderes als das gleichmäßige Geräusch, das mein Paddel verursacht, wenn ich es ins Wasser steche und wieder aus dem Wasser hole. Ich habe mir ein Stand-up-Paddle angeschafft. Wenn ich den Plänterwald entlangschippere, fühlt sich das an wie Urlaub. Von der Unruhe der Stadt ist auf dem Wasser keine Spur.

Das Beste: Bis auf ein paar Ru­de­re­r:in­nen aus dem Club etwas weiter flussaufwärts, wenigen Frachtschiffern, die mit ihren Kolossen gemächlich die Spree entlangtuckern und dem einsamen Fährmann, der eine Handvoll Rad­fah­re­r:in­nen und Laubenpieper von Ufer zu Ufer bringt, ist hier kaum eine Seele anzutreffen.

Wobei das nur für bestimmte Zeiten gilt – etwa wochentags, wenn andere arbeiten gehen,oder am Morgen, wenn die Partymeute endlich pennt. Es kreuzen auch etliche andere Padd­le­r:in­nen meinen Weg. Denn auf die Idee, mit dem Stand-up-Paddle dem Alltag zu entfliehen, bin nicht nur ich, sondern sind auch viele Tausend andere Ber­li­ne­r:in­nen gekommen. Das wirft Fragen auf.

taz: Frau Scala, Sie betreiben den „StandUpClub Berlin“ am Funkhaus Berlin in Lichtenberg, wo sie Bretter verleihen, Menschen übers Wasser führen und mit ihnen Yoga auf dem Stehpaddelbrett praktizieren. Was ist so toll am Stehpaddeln, dass das so viele Menschen machen wollen?

Severine Scala: Wenn du das Stand-up-Paddling als Sport siehst und schnell paddelst, dann ist das ein Ganzkörpertraining, von den Zehenspitzen über die Rücken, Beine, Arme ist alles daran beteiligt. Und natürlich die Tiefenmuskulatur: Der Beckenboden wird automatisch angespannt. Für mich bedeutet das SUP aber vor allem Entspannung. Es holt einen komplett runter.

Bei vielen Leuten sieht das aber überhaupt nicht so entspannt aus …

Ja, da zittern oft die Beine. Das ist bei vielen An­fän­ge­r:in­nen so, auch bei den größten Sportler:innen. Die müssen sich erst mal vom Kopf her locker machen und ihre Angst verlieren. Ich sage dann immer: Das ist ein Wassersport. Was ist also schlimm daran reinzufallen? Am besten geht man direkt am Anfang einfach mal kurz ins Wasser, das hilft, den Schrecken loszuwerden.

Aber ist das Spreewasser nicht total eklig?

Überall Wasser Da kann man nicht heulen, Seen gibt es genug in der Stadt und drum herum in Brandenburg. Und überhaupt: Berlin liegt am Fluss, die Spree fließt mittendurch und ganz im Westen die Havel. Wasserwerke säumen ihren Verlauf, und weil Berlin am Wasser liegt, ist die Trinkwasserversorgung auch in Dürresommern etwas unkomplizierter als anderswo.

Und der Klimawandel? Was bedeutet die Wasserlage für Berlin in Zeiten des Klimawandels? In unserer diesjährigen Sommerserie widmen wir uns dem Wasser in all seinen Facetten: Unsere Autor*innen haben recherchiert, wie man Friedhöfe künftig mit Regenwasser bewässern könnte, und warum es wichtig für Hochwasserschutz ist, Flüsse wie die Panke zu renaturieren. Zuletzt widmeten wir uns einem vermeintlichen Monster im Tegeler See, und der bewegten Vergangenheit (und Gegenwart) eines ehemaligen Fischerdorfs, der Rummelsburger Bucht.

Nachlesen: Alle Folgen online unter taz.de/berlin/wasser. (taz)

Nein. Oft ist die Wasserqualität der Spree sogar besser als bei stehenden Gewässern. Bei der Rummelsburger Bucht gibt es noch Altlasten im Grund. Da sollte man sich nicht zu lang im Wasser aufhalten. Schwimmen ist in der Spree aber eh nicht erlaubt. Da verteilt die Wasserschutzpolizei Strafzettel.

Gibt es sonst noch Regeln auf der Spree?

Es ist wichtig, die Schifffahrtsstraße zu kennen, die ist durch orange und grüne Tonnen markiert. Der Berufsschifffahrt und der Fähre muss man grundsätzlich ausweichen. Auch sollte man Wasserstraßen immer auf direktem Weg kreuzen und sich nicht dort aufhalten. Ich wundere mich immer wieder, dass das vielen Padd­le­r:in­nen nicht klar ist. Auf einer Autobahn gehe ich ja auch nicht spazieren und lege mich dort auch nicht zum Sonnen hin.

Die Schifffahrtszeichen sollte man auch kennen …

Klar. Es gibt auch eine Vorfahrtsregel: Windkraft vor Muskelkraft vor Motorkraft. Segelbooten zum Beispiel müssen wir Platz machen, die privaten Motorboote müssten uns dagegen ausweichen. Das Problem ist nur, dass das viele nicht wissen oder einhalten, und wir sind halt nicht so schnell auf dem SUP, deswegen würde ich immer eher defensiv paddeln.

Wie weit kommt man von hier raus ins Umland?

Severine Scala

„Der Berufsschifffahrt und der Fähre muss man grundsätzlich ausweichen.“

Sehr weit. Ein Kollege ist bis nach Fürstenwalde gepaddelt, über die Spree bis Köpenick und von dort weiter über die Dahme. Spreeabwärts darf man nur bis zur Oberbaumbrücke fahren. Das ist von hier aber ein schönes Stück, auf dem es auch viel zu sehen gibt, zum Beispiel den Molecule Man oder das Schiffswrack „Dr. Ingrid Wengler“, aber auch den Fernsehturm und das Rote Rathaus kann man schon sehen. Bei den Brücken muss man nur aufpassen. Wenn man im Schatten eines Pfeilers die Brücke passiert, sehen einen Boote oft nicht. So was sollte man vermeiden.

Was ist mit dem Landwehrkanal?

Um da von der Spree aus reinzukommen, muss man sein SUP über die Straße tragen, denn durch die innerstädtischen Schleusen darf man mit dem Board nicht. Nach Starkregen empfehle ich da aber keinem entlangzupaddeln. Denn in den Landwehrkanal fließt das Grauwasser: Wenn es viel regnet, überschwemmt die Berliner Kanalisation, und dann kommt da alles Mögliche rein. Ich habe da eine Menge toter Tiere gesehen. Das Ufer ist außerdem sehr flach, da kann man leicht mit seiner Finne anstoßen. Besser paddelt es sich auf dem Verbindungskanal hier schräg gegenüber vom Funkhaus. Da ist man an windigen Tagen auch ganz gut geschützt.

Wind kann für Padd­le­r:in­nen gefährlich werden.

Ja, den Wind unterschätzen viele. Vor allem Eltern sind mit ihren Kinder oft viel zu locker. Die Kleinen können zwar meist gut paddeln, gegen starken Wind kommen sie mit ihrer Muskelkraft jedoch nicht an. Von Böen werden Kinder sehr schnell abgetrieben, da kommt keiner mehr hinterher. Generell empfehle ich, immer erst gegen den Wind zu paddeln, damit man sich, wenn man nicht mehr so viel Kraft hat, mit dem Wind zurücktreiben lassen kann. Und natürlich möglichst am Ufer zu paddeln, dann kommt man bei einem Wetterumschwung auch schnell an Land. Ich rate auch, nicht alleine zu paddeln, das Handy in einer wasserfesten Hülle dabei und die Notrufnummer schon abgespeichert zu haben. So kann man im Notfall schnell Hilfe bekommen.

Was braucht man noch fürs Stehpaddeln?

Man sollte sich der Wassertemperatur und nicht der Lufttemperatur entsprechend anziehen. Im April kann es 24 Grad haben, aber das Wasser hat dann nur 8 Grad. Wenn du dann reinfällst, kann es einen Kälteschock geben, die Gliedmaßen machen nicht mehr mit, und man kommt nicht zurück aufs Board. Ich rate da zu einem Trockenanzug. Ein Neoprenanzug ist eng und schwitzig, außerdem hält der nur im Wasser warm. Bei Sonne sollte man natürlich an Sonnencreme denken, am besten eine, die die Natur nicht belastet. Dann einen Hut, der einem nicht vom Kopf weht, und eine Sonnenbrille, die man sichern kann. Es gibt schon sehr viele Brillen von meinen Kun­d:in­nen hier in der Spree. Auch könnte man sich angewöhnen, eine Box vorne ins Netz zu packen, um beim Paddeln Müll aus dem Wasser zu fischen. Das geht mit der scharfen Kante des Paddels ganz leicht.

Naturschutz ist ein großes Thema beim Paddeln.

Auf jeden Fall. Hier in der Nähe gibt es drei kleine Inseln, die sind geschützt, auf die darf man nicht drauf. Da brüten viele Wildvögel, außerdem gibt es dort Sumpfschildkröten, Otter und Biber und natürlich Fische. Man sollte sich fernhalten vom Ufer und einen Bogen um Schilf, Sumpfdotterblumen und Seerosen machen. Und bei den Enten- und Schwanenfamilien, die man gerade sieht, darauf achten, dass man nicht so nah ranpaddelt und die Kleinen nicht von der Mama trennt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.