CDU schlägt Energiegeld für alle vor: Die Gießkanne muss ausgedient haben

300 Euro für jeden helfen nicht, die Probleme zu lösen. So ein Vorgehen wäre das Gegenteil von zielgenauer Hilfe.

Das Bild zeigt Geldscheine in Händen mit Falten.

Das Geld ist zu knapp, um es in Krisenzeiten mit der Gießkanne an alle verteilen zu können

Das Prinzip Gießkanne sollte ausgedient haben“, war von Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) am Dienstag zu hören. Hilfen und Entlastungen sollten nur zielgenau die Landeskasse verlassen – eben nicht wie bei einer Gießkanne und ihrem viellöchrigen Aufsatz. Nur zwei Tage später aber greift CDU-Chef Kai Wegner genau zu dieser Gießkanne zur Bewältigung von Energiekrise und Inflation: 300 Euro sollen alle in Berlin bekommen, Studierende und Rentner das Doppelte, weil bisher in Hilfspaketen der Bundesregierung übersehen.

Das mag nobel gedacht sein und auch eine psychologische Komponente haben: Damit eine durch höhere Preise und drohende Energieknappheit beunruhigte, auf Hilfen des Bundes wartende Bevölkerung zumindest das Gefühl bekommt, nicht vergessen zu sein, soll das Land Berlin selbst in die Kasse greifen.

Darüber hinaus aber ist Wegners Ansatz nicht nachvollziehbar: Weil für ihn eine Einkommensgrenze zu aufwendig ist, nimmt er in Kauf, dass auch jene die 300 Euro bekommen, die zusätzliche Lasten selbst schultern können. Doch ein Land, dass bereits auf fast 63 Schulden-Milliarden sitzt, kann dafür kein Geld übrig haben. Warum sollte es nicht möglich sein, eine Auszahlung auch ohne Nachweis auf jene zu begrenzen, deren Steuerbescheid unter 80.000 Euro ausweist? Das war, als es noch keine Beitragsfreiheit gab, das Einkommen, ab dem für einen Kita-Platz der Höchstbetrag fällig war. Das sei wegen des Steuergeheimnisses problematisch, heißt es bei der Finanzverwaltung. Aber warum soll sich das nicht ändern dürfen?

Das Plus ist gar kein Gewinn

Nicht nachvollziehbar ist auch, warum Wegner, genauso wie SPD-Chef Raed Saleh, Milliardengewinne im Haushalt sieht, die jene 300-Euro-Ausschüttung ermöglichen sollen. Denn man muss kein Finanzexperte sein, um zu verstehen, dass wegen des späten Haushaltsbeschlusses viele schon geplante Investitionen liegen geblieben sind.

Das Geld, weil noch nicht ausgegeben, mag jetzt gerade abgreifbar sein. Aber womit bezahlt das Land dann all die Projekte – Wohnungen, S-Bahnen, Radwege –, die mittelbar auch jenem Bürger dauerhaft zugut kommen, dem Wegner jetzt mit einmaligen 300 Euro helfen will? 300 Euro sind nicht wenig – aber sie sind mutmaßlich ein Bruchteil dessen, was auf einen Haushalt an vervielfachten Energiekosten zukommt. Ja, räumte Wegner ein, das Energiegeld werde nicht alle Probleme lösen. Nicht alle? Noch nicht mal eins.

Kritisch zu betrachten ist auch der Duktus bei Wegner wie bei Saleh. Beide sprechen von Steuergewinnen des Staates, die den Bürgern zurückzugeben seien. Saleh bezeichnete den Staat im taz-Interview sogar als „größten Krisenwinner“. Das klingt, als sei der eine Art Finanzhai. Diesen Eindruck zu erzeugen, ist gefährlich, weil er wachsenden Verdruss über „den Staat“ noch fördert. Es muss klar sein: Ohne Steuergelder kein Energieumbau, keine Mobilitätswende – und letztlich auch keine Hilfspakete.

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Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.

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