Fachkräftemangel in Berlin: Betriebe ohne Ar­bei­te­r*in­nen

Der Fachkräftemangel in Berlin steigt wieder deutlich an. Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) macht dafür die Betriebe selbst verantwortlich.

Ein Therapeut der Phsysiotherapie hilft einer alten Frau bei der Nutzung eines Rollators.

Schlecht bezahlt und stressig: Der Pflegebereich ist vom Fachkräftemangel mit am stärksten betroffen Foto: Florian Gärtner/Phototek

BERLIN taz | Für Berliner Betriebe wird es immer schwieriger, ihre offenen Stellen zu besetzen. Das geht aus einer Ar­beit­ge­be­r*in­nen­be­fra­gung hervor, die am Donnerstag vorgestellt wurde. Laut Berliner Betriebspanel suchte im vergangenen Jahr mehr als ein Drittel der 947 befragten Firmen in der Hauptstadt Fachkräfte, wobei 38 Prozent der ausgeschriebenen Stellen nicht besetzt werden konnten. Damit ist der Fachkräftemangel wieder annähernd so hoch wie vor der Krise, nachdem er 2020 coronabedingt etwas gesunken war. Insgesamt hat sich der Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften seit 2010 mehr als verdoppelt. Am stärksten betroffen ist das Baugewerbe, das Gesundheitswesen und der Pflegebereich.

Katja Kipping, Linke-Arbeitssenatorin

„Neben fairen und gesunden Arbeitsbedingungen sind vor allem angemessene tarifliche Löhne das A und O, um Beschäftigte zu halten.“

Laut Arbeitssenatorin Katja Kipping (Linke) sind die Arbeitgeber dafür vor allem selbst verantwortlich. So sind nur 14 Prozent der Berliner Unternehmen tarifgebunden, Tendenz sinkend. Das ist deutlich weniger als im Bundesdurchschnitt, wo der Anteil an Betrieben mit Tarifvertrag bei 25 Prozent liegt. „Der Bericht zeigt, dass arbeitnehmerseitige Kündigungen der mit Abstand häufigste Grund für Personalabgänge in Betrieben sind“, so Kipping. „Neben fairen und gesunden Arbeitsbedingungen sind vor allem angemessene tarifliche Löhne das A und O, um Beschäftigte zu halten.“

Ein weiteres Mittel gegen den Fachkräftemangel sieht die Arbeitssenatorin in innerbetrieblichen Ausbildungen. Allerdings liegt auch hier Berlin weit hinter dem Bundesdurchschnitt: Lediglich 17 Prozent der Unternehmen bilden überhaupt aus, Deutschlandweit sind es 28. „Wenn die Betriebe Fachkräfte haben wollen, dann müssen sie auch selbst ausbilden“, so Kipping. Dass sich das lohnt, zeigt die Befragung: Demnach wird mit 72 Prozent die Mehrheit der Aus­bil­dungs­ab­sol­ven­t*in­nen auch übernommen. Damit künftig mehr ausgebildet wird, will Rot-Grün-Rot eine Ausbildungsplatzumlage einführen, um Unternehmen zu unterstützen, die überproportional ausbilden – und diejenigen zur Kasse bitten, die dies zu wenig oder gar nicht tun.

Auch ungelernte Ar­bei­te­r*in­nen fehlen

Nicht abgefragt wurde in der Studie der Bedarf an ungelernten Arbeitskräften. Dabei werden etwa im Veranstaltungsmanagement, in der Gastronomie oder im Einzelhandel händeringend Leute gesucht. Das weiß auch Özkan Mutlu, der eine Bäckerei am Kollwitzplatz betreibt. „Ich bräuchte drei bis vier zusätzliche Leute, aber ich finde weder eine Reinigungskraft noch Verkäufer noch Bäcker“, sagt Mutlu der taz. So wie ihm ginge es vielen Ladeninhaber*innen. „Viele Restaurants um mich herum können nicht mehr aufmachen, weil Köche und Kell­ne­r*in­nen fehlen.“

Weil Mutlu und seine 6 Mit­ar­bei­te­r*in­nen den Laden nicht alleine stemmen können, wollte der Bäckerei-Inhaber Leute aus der Türkei holen und einstellen. Da Mi­gran­t*in­nen jedoch mindestens Deutschkenntnisse auf Niveau B1 nachweisen müssen, um in Deutschland arbeiten zu dürfen, fällt auch diese Möglichkeit weg. „Ich finde das unfair, bei Fußballvereinen geht das doch auch“, schimpft Mutlu. Für ihn steckt dahinter blinder Rassismus. „Wir fahren gegen die Wand, wenn wir die Grenzen nicht öffnen.“

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