Mitglied in rechter Burschenschaft: Otto Carstens mag rechte Folklore

Der Kieler CDUler Otto Carstens gibt sich als wertkonservativer Politiker. Sein Faible für Burschenschaften passt nicht zum Amt des Staatssekretärs.

Ein Pflaster auf einer Stirn mit letzter blonder Locke, die dem Haarausfall bisher standgehalten hat.

Nochmal gut gegangen: Da hat sich der Burschi fast die letzte Locke absäbeln lassen Foto: Michael Reichel/dpa

HAMBURG taz | „Opferschutz vor Täterschutz. Mehr Polizei vor Ort. Eine Justiz, die den Strafrahmen des Gesetzes ausreizt. Ein Strafvollzug, der keinen,Urlaub' darstellt“ – mit diesen klaren Worten auf seiner Website hatte Otto Carstens (CDU) im schleswig-holsteinischen Landtagswahlkampf sein wertkonservatives Image gepflegt. Inzwischen hat er sie wieder gelöscht. Dennoch kommen derzeit Zweifel an seiner Eignung als Justizstaatssekretär auf.

Da ist einerseits seine Dissertation, die die Uni Innsbruck wegen Plagiatsvorwürfen überprüft. Und andererseits seine Sympathie für schlagende Verbindungen.„Ich finde, schlagende Studentenverbindungen sind eine sehr schöne Tradition“, sagte Carstens den Kieler Nachrichten.

Der 41-Jährige hat nach eigenen Angaben selbst Mensuren gefochten und trägt einen „Schmiss“, also eine Narbe aus jenem rituellen Fechtkampf im Milieu der Burschenschaften. Carstens ist Mitglied des Hamburger „Corps Irminsul“, das sich gegen rechtsextreme Tendenzen nicht klar abgrenzt. Auf seiner Website weist der Lebensbund auf seinen 1919 gegründeten Vorgänger Cheruscia hin.

Die Mitglieder seien aus „angesehenen hanseatischen Familien sowie aus den Studenten des Kolonial­institutes“ rekrutiert worden. 1935 hätten sie sich nicht mehr der „Gleichschaltung der Nationalsozialisten“ erwehren können und „den aktiven Betrieb“ eingestellt.

Zwischen Revisionismus und Rechtsextremismus

Eine beschönigende Geschichtsdarstellung nennt das Felix Krebs vom Hamburger „Bündnis gegen Rechts“ (HBgR), denn vor hundert Jahren hatte sich das Corps dem völkischen Dachverband Deutsche Wehrschaft (DW) angeschlossen, der lange vor dem Nationalsozialismus ein „Arier“-Prinzip eingeführt hatte. Auf seiner Website verweist das Corps auf „namhafte Redner“.

Das HBgR hat eine längere Liste. Auf ihr erscheinen Publizisten und Offiziere a. D., die sich zwischen Revisionismus und Rechtsextremismus bewegen. 2005 war zum CI-Festkommers anlässlich seines 125-jährigen Bestehens Konrad Löw als Redner geladen. Ein Jahr zuvor hatte die Bundeszentrale für politische Bildung Löws Schrift „Deutsche Identität in Verfassung und Geschichte“ eingestampft, da der Text geeignet sei, die „deutschen Verbrechen während der nationalsozialistischen Diktatur zu verharmlosen“.

Im aktuellen Semesterprogramm weist das Corps Irminsul auf den Zweiten ordentlichen Bestimmtag des Hamburger Waffenrings (HWR) hin. Im HWR sind nicht alle schlagenden Verbindungen vereint, da dort auch die rechtsextremistische Hamburger Burschenschaft Germania (HBG) ihre Mensuren schlägt. „Das Corps Irminsul bewies einen guten Mensurstandpunkt und führte erst ab, als Martins Gegenpaukant durch diesen ordentlich 'zerhackt’ worden war“, hieß es Ende 2018 in einem Bericht der HBG von einer HWR-Mensur.

Otto Carstens: Ein lächelnder Mann mit Brille und Anzug

Hält Mensuren für einen guten Zeitvertreib: Otto Carstens (CDU) Foto: Axel Heimken/dpa

Die SPD fordert von der Landesregierung nun eine Stellungnahme. „Die offensichtliche Verherrlichung von ritualisierter Gewaltanwendung bei Mensuren, die Herr Dr. Carstens selbst in der Presse vorträgt, ist für uns ein weiterer Grund, seine persönliche Eignung für das Amt eines Justizstaatssekretärs zu hinterfragen“, sagt SPD-Innenpolitiker Marc Timmer.

Auch die Neue Richtervereinigung äußert Zweifel an Carstens’ Eignung. Wie sich seine Mitgliedschaft im „offenbar reinen Männerbund“ Irminsul mit dem Auftrag, die Gleichstellung zu fördern, verbinden lasse, erschließe sich „zumindest nicht ohne weiteres“. Mit seiner Wahlkampf-Forderung nach einer „Justiz, die den Strafrahmen des Gesetzes ausreizt“ stelle Carstens „einen Grundpfeiler der Gewaltenteilung und damit des Rechtsstaats, nämlich die richterliche Unabhängigkeit infrage“.

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