Wassersprung-Sportart Dødsen: Grenzen austesten

In Oslo finden die 15. Weltmeisterschaften im Dødsen statt. Seit 2018 sind bei der spektakulären Wassersprung-Sportart auch Frauen dabei.

Frau die ins Wasser springt

Möglicherweise ein noch unentdecktes Talent fürs Dødsen Foto: Iocalpic/imago

Im freien Flug sieht alles nach klassischem Bauchplatscher aus, aber kurz vor der Landung im Wasser werden Füße und Hände (oder Knie und Ellbogen) so nach vorne gezogen, dass sie zuerst eintauchen. Was nach jugendlichem Spaß im Schwimmbad klingt, ist eine wirkliche Amateur-Sportart namens Døds (Død heißt auf Norwegisch Tod), am 27. August finden am Rathauskai in Oslo die 15. offiziellen Weltmeisterschaften statt, informell sind es bereits die 25.

Das Dødsen war irgendwann während der 60er Jahre im Osloer Frognerbad erfunden worden. Perfektioniert wurde es 1972 vom damals 12-jährigen Erling Bruno Hovden, dessen Hauptziel es war, mit möglichst atemberaubenden Sprüngen Mädchen zu beeindrucken. Erling Bruno, Sohn des landesweit bekannten kommunistischen Aktivisten Kjell Hovden, gehörte damals zu einer Gruppe Jungs, die während des Sommers regelmäßig im Frognerbad das Zehnmeterbrett in Beschlag nahmen – später gelangte er als Gitarrist der Rockband Raga Rockers zu einigem Ruhm, verstarb allerdings 1985 auf Tour mit dem Musiktheater Bikuben bei einem Autounfall. In Dødser-Kreisen blieb er unvergessen, während der jährlichen Weltmeisterschaften wird der nach ihm benannte „Bruno-Preis“ für den besten klassischen Sprung verliehen.

Nun könnte man einwenden, dass Dødsen eine tendenziell hochgefährliche Sportart ist, die schwere Verletzungen zur Folge haben kann. Realistisch betrachtet ist das bei jeder anderen Form der sportlichen Betätigung – außer Schach, natürlich – allerdings auch der Fall. Und selbstverständlich haben Frauen das Recht, nicht nur etablierte und durchgängig anerkannte Sportarten zu betreiben, sondern auch solche, die ein bisschen gaga sind.

Beim Dødsen dauerte es allerdings sehr lange, bis die erste Weltmeisterin gefunden war. Zunächst traten alle gemeinsam an, um in zwei Kategorien, Klassik und Freestyle, die Besten zu ermitteln. Bei der klassischen Sprungtechnik geht es darum, so lange wie möglich in der Bauchplatscherposition zu verbleiben, während beim Freestyle Kunststückchen erlaubt sind. Immer gewann ein Mann.

Ein Rat der ersten Weltmeisterin

Das änderte sich erst 2018, als Frauen in der Offenen Kategorie starten konnten und mit Miriam Hamberg die erste Weltmeisterin gekürt werden konnte. Die Jurastudentin aus dem schwedischen Östersund hatte Jahre zuvor zusammen mit ihren Brüdern einen Fernsehbericht über das Dødsen gesehen. Es folgten viele, viele Sprünge, wobei Miriam zunächst nicht wirklich von der Sportart überzeugt war. Ihre Brüder feuerten sie jedoch unverdrossen an, und schließlich wurde sie zur ersten Titelträgerin – und im Jahr darauf gleich auch noch zur zweiten. Hambergs Rat an Frauen, die sich auch mal am Dødsen versuchen wollen, fällt knapp aus: Nicht zu viel drüber nachdenken, sondern es einfach tun – ihr werdet überrascht sein.

Ob Miriam Hamberg in diesem Jahr bei der WM starten wird, ist nicht bekannt. Sicher mitmachen wird dagegen die 26-jährige Norwegerin Annette Weum, die nach Bronze 2020 nun auch Gold gewinnen möchte. „Auch Frauen tun gut daran, ihre Grenzen auszutesten“, sagte sie kürzlich in einem Interview.

Weum hat sich beim Dødsen, das sie zum ersten Mal in einem Hotelschwimmbad während einer Konferenz zum Thema Christentum ausprobiert hatte, schon einige Rippen gebrochen, eine Freundin von ihr zog sich bei einem schiefgegangenen Sprung sogar Brüche im Gesicht zu. Gleichwohl sagt sie, dass die Gefahr, sich zu verletzen „in anderen Bereichen des Alltagslebens weit größer“ sei und verweist unter anderem darauf, dass Menschen ohnehin dazu tendierten, „unnötige Risiken einzugehen, wie zum Beispiel sich besinnungslos zu besaufen oder zu schnell Auto zu fahren“. Die Verletzungsgefahr sei dabei im Übrigen weit höher als beim Dødsen.

Annette Weum weiß, wovon sie redet: Wenn sie nicht gerade aus größerer Höhe in Gewässer springt, arbeitet sie als Ärztin in einem Krankenhaus.

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Schreibt nicht nur über Sport, sondern auch über Verschwörungsideologien, skandinavische Politik und Königshäuser. *** Die ersten Artikel für den taz-Sport gestalteten sich allerdings etwas schwierig: Mit den Worten "Wie, die schicken uns heute eine Frau?" wurde ich beispielsweise vor Jahren von einem völlig entsetzten Vorsitzenden eines Westberliner Fünftligavereins begrüßt. Da war er also, der große Tag, an dem über seinen Club in der taz berichtet werden würde, und dann das: Eine Frau! Ich antwortete ja, ich sei die Strafe und sofort war die Stimmung super. *** Und eines Tages werde ich über diesen Tag und andere, sagen wir: interessante Begegnungen mal ein Buch schreiben.

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