Sinnfrei, aber nett

Seit sechs Jahren moderiert Andrea Kiewel den ZDF-Fernsehgarten. Ans Aufhören scheint sie noch nicht zu denken. „Wir sind das MTV des ZDF“

Der ZDF-Fernsehgarten ist die gelungenste sinnfreie Fernsehsendung

VON CHRISTOPH SCHULTHEIS

Verbringt man etwas Zeit mit Andrea Kiewel, ist man hinterher nicht unbedingt schlauer, aber besser gelaunt. Da ist dann so ein „Na ja, egal“-Gefühl, und die Sonne scheint. Das gilt für ihre Sendung, den „ZDF-Fernsehgarten“, den sie nun schon im sechsten Sommer moderiert. Und es gilt auch, wenn man sie deshalb persönlich trifft. „Ich bin eben nett“ sagt Kiewel, genannt Kiwi. Und 40 geworden ist sie vorletzte Woche, „gerne 40 geworden“, wie sie sagt.

Kiewel sagt auch: „Ich bin der blonde Sonnenschein des ZDF“. Oder: „Wir sind das MTV des ZDF“ – wie sie überhaupt gern überall ein „… des ZDF“ ranhängt, was dann tatsächlich jedes Mal fast wie eine Provokation klingt. Womöglich liegt das aber am ZDF. Außerdem sagt sie gern Sätze, die anfangen mit „Ich bin auch so ’ne Frau, die …“. Und manches klingt verschwörerisch, wenn Kiewel sich über den Tisch beugt, die Stimme senkt, verschmitzt zu ihrer Pressefrau am Nebentisch rüberschaut, die vorauseilend die Augen verdreht. Was Kiewel zu sagen hat, ist dann aber gar nicht verschwörerisch. Nur nett. Aber na ja, egal.

Fest steht: Kiewel glaubt offenbar wirklich daran, dass es eine gute Idee vom ZDF ist, sie im Sommer Sonntag für Sonntag zur Mittagszeit zwei Stunden lang gut gelaunt kreuz und quer durch dem sendereigenen „Fernsehgarten“ laufen zu lassen und pures, sinnfreies Unterhaltungsfernsehen zu senden. Womöglich ist’s sogar eine der sinnfreisten Sendungen im deutschen Fernsehen, zumindest die gelungenste davon: mit ein bisschen Freiluftakrobatik hier, Freiluftkochen dort, Hobby, Mode, Tanz und Schlagermusik unterschiedlichster Art – und Kiewel als Conférencieuse. Manchmal muss sie auch andere ZDF-Shows moderieren, 80er-Jahre-Shows oder die „Après-Ski-Party“. Und wenn sie erzählt, was sie als Erstes nach der „Fernsehgarten“ macht („Schuhe aus und dann die Zigarette danach – die einzige in der ganzen Woche!“), klingt das, als könnte es hernach ebenso gut in der Frau im Spiegel stehen – oder in der Super Illu, für die Kiewel, in Ostberlin geboren und aufgewachsen, eine Kolumne schreibt. Im Auto, sagt sie, singe sie auch mal Schlager mit.

Mehr davon? Okay: Kiewel hat zwei Söhne, von denen einer bereits 19 ist und einen Mann, der beim Sat.1-„Frühstücksfernsehen“ arbeitet, das sie selbst sieben Jahre moderiert hat. Sie habe schon immer zum Fernsehen gewollt, sagt sie. Aber erst 89 sei sie dann auf dem Berliner Alexanderplatz bei einem Moderatoren-Casting des DDR-Fernsehens entdeckt worden. Und ihre erste TV-Ansage haben ihre Eltern mit dem Kassettenrekorder (!) aufgenommen. Demnächst wolle sie von Berlin in die Nähe von Mainz ziehen – auch wegen der Nähe zu den Großeltern ihrer Kinder. Vor Jahren warb sie mal für „Philadelphia“-Frischkäse, jetzt wirbt sie für die „Volks-Waschmaschine“ von Bild. Außerdem redet sie gern über Horoskope – auf dieser Smalltalk-Art („Typisch Zwilling!“, „Ja, Männer kennen ihren Aszendenten nicht …“, so was eben).

Früher, im Frühjahr 1997, hatte sie mal eine eigene, tägliche Astro-Talkshow auf ProSieben. Einen Monat lang. Jetzt hat sie eine These: „Vielen geht’s nicht gut, privat oder beruflich.“ Sie sorge da vorübergehend für ein Ausblenden des Alltags. Mit Erfolg. Und nenne man sie deshalb im Spaß „Profiteurin der Krise“, lacht sie, weil’s ja im Spaß gesagt gewesen war. Danach kommt sie flugs auf die Zuschauer zurück: „Die freuen sich über zwei Stunden Ablenkung, gute Laune, Sommerparty …“ Bei Carmen Nebel, Gunther Emmerich, Nina Ruge oder J. B. Kerner hielte man sowas für PR-Gewäsch. An Kiewels Aufrichtigkeit will man nicht zweifeln. Vielleicht ihr größtes Talent.

Es ist, wie gesagt, Kiewels sechstes Jahr beim „Fernsehgarten“, ihre eigentliche Vorgängerin Ilona Christen hat ihn sieben Sommer moderiert, Ramona Leiß danach auch. Dass sich auch Kiewel allmählich mal was anderes vorstellen könnte, sagt sie nicht. Nur dass sie mit Produzenten „immer wieder mal über andere Formate im Gespräch“ ist.

Und wäre „Wetten, dass …?“ kein abgekartetes Spiel, kein Unternehmen, in dem das ZDF längst nicht mehr nur von Gottschalk als Moderator profitiert, müsste man Kiewel als seine Nachfolgerin propagieren. In Ernst. Und in einer Zeit, in der eine Frau Bundeskanzler werden soll, allemal.

Schließlich ist Kiewel auch einer der wenigen Menschen im deutschen Fernsehen, bei denen die kleinen Schlüpfrig- und Anzüglichkeiten, die ihr im „Fernsehgarten“ immer wieder in ihre Moderationen rutschen, nicht peinlich sind, sondern stets so, als hätte sie selbst am Morgen vor der Sendung noch verdammt guten Sex gehabt. Bei Thomas Gottschalk klingen die Zoten anders.