Die Notdurft in Berlin: Erschwerter Toilettengang

Umsonst Pinkeln können ist in Berlin die Ausnahme. Ansonsten sind öffentliche Klos nur mit Kreditkarte benutzbar.

Auf dem Dach einer öffentlichen Berliner Toilette sind Piktogramme für Wickelraum, Behindertentoilette, und Damen-/Herren-WC angebracht

Auf die Toilette müssen alle mal Foto: picture alliance/dpa/Monika Skolimowska

BERLIN taz | Wer kennt es nicht, man sitzt im Park oder geht spazieren und plötzlich meldet sich die Blase. Doch wohin mit dem ganzen Wasser, das man bei diesen Temperaturen literweise in sich reinschüttet? Wie gut, dass es öffentliche Toiletten gibt, ganze 280 sind das in Berlin. Blöd nur, dass diese nicht für alle Menschen zugänglich sind, wo doch der Toilettengang eine der wenigen Sachen ist, die alle Menschen geschlechter- und klassenübergreifend gemein haben.

Doch ausgerechnet anhand der beiden Merkmale Klasse und Geschlecht werden Menschen in puncto Pinkeln diskriminiert. Schon seit Längerem gibt es in Berlin Proteste – sogenannte Piss-ins – von Flinta, also Frauen, Lesben, intersexuellen, nicht-binären, trans und agender Personen, gegen die Benachteiligung auf dem Pott. Denn während Männer kostenlos Pissoirs nutzen können, müssen Frauen 50 Cent bezahlen, um ihre Notdurft zu verrichten.

Leistungen bereitstellen, die für ein menschliches Dasein notwendig sind, ist Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge

Dabei verweist schon das Wort an sich darauf, worum es sich hierbei handelt: um eine Notwendigkeit.

Leistungen bereitzustellen, die für ein menschliches Dasein notwendig sind, ist Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge – und zu der gehören eben auch Toiletten. Hier unterschiedliche Maßstäbe an die Nut­ze­r*in­nen anzulegen, ist nichts anderes als staatliche Diskriminierung – Frauen müssen schließlich auch nicht mehr für die Müllentsorgung oder den Rundfunk zahlen, nur weil sie keinen Penis haben.

Doch statt Pissoirs – beziehungsweise Missoirsauch für Frauen kostenlos zur Verfügung zu stellen, legt Berlin in Sachen Diskriminierung noch eins drauf: Seit dieser Woche sind 230 der 280 Toi­letten nur noch bargeldlos, also mit Kreditkarte oder App benutzbar.

Schuld seien die ganzen Kleingelddieb*innen, die mit ihren Einbrüchen in die wertvollen Klohäuschen enorme Geld- und Sachschäden verursacht haben, heißt es aus der Senatsverwaltung. 150 bis 180 Aufbrüche gibt es laut Betreiberfirma Wall GmbH pro Woche, der Schaden soll im sechsstelligen Bereich liegen.

Die Ber­li­ne­r*in­nen zahlen also gleich doppelt für ihren Klogang, erst die Nutzungsgebühr, dann für die dadurch entstandenen Schäden. Die Lösung für diesen teuren Toiletten-Teufelskreis wäre natürlich ganz einfach, no money, no problem. Kostenlose öffentliche Toiletten, wie es sie etwa in Paris seit 2006 gibt und wie sie die Linkspartei fordert, wären zwar eine schnelle und unbürokratische Lösung, allerdings sind wir hier immer noch in Deutschland. Also wird es vorerst nur 50 kostenlose öffentliche Toiletten geben – für 3,6 Millionen Ber­li­ne­r*in­nen und jährlich rund 14 Millionen Tourist*innen. Und das natürlich auch nur als Pilotprojekt für ein halbes Jahr, um zu gucken, wie das kostenlose Pinkeln so ankommt (Spoiler: gut).

Der Rest der blasengeplagten Pas­san­t*in­nen muss weiter blechen – vorausgesetzt er oder sie besitzt eine Kreditkarte oder Apple Pay. Dadurch werden nicht nur diejenigen von der öffentlichen Daseinsvorsorge ausgeschlossen, die am häufigsten darauf angewiesen sind: Obdachlose und Rentner*innen. Es wirft auch die Frage auf, für wen der öffentliche Raum überhaupt noch zugänglich ist. Und ob wir wirklich in einer Stadt leben wollen, die nur per Kreditkarte aufschließbar ist.

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