Getreideexporte aus Ukraine: Sehnsüchtiges Warten am Bosporus

Die Ankunft des aus Odessa kommenden Getreidefrachters in Istanbul verspätet sich. Indes setzt sich die Türkei einmal mehr als Vermittlerin in Szene.

Eine Person fotografiert ein Shiff

Unterwegs nach Istanbul: das Frachtschiff „Razoni“ startete am Montag in Odessa Foto: Ukrinform/dpa

ISTANBUL taz | Selten wurde die Ankunft eines Schiffes in Istanbul so sehnsüchtig erwartet wie das der „Razoni“ aus Odessa. Der unter sierraleonischer Flagge fahrende Frachter hat am Montagvormittag mit 26.500 Tonnen Mais an Bord Odessa verlassen. Er ist damit das erste Schiff, das seit Beginn des russischen Angriffskriegs ukrainisches Getreide auf den Weltmarkt bringen kann. Unter Vermittlung der Türkei hatten die Ukraine und Russland am 22. Juli eine sichere Seepassage aus drei ukrainischen Häfen ausgehandelt, um so die Ausfuhr von Getreide wieder zu ermöglichen.

Ursprünglich hieß es, die Razoni würde am Dienstagnachmittag in Istanbul einlaufen. Dort stehen türkische und ausländische Fernsehteams bereit, um die Ankunft zu dokumentieren. In den einschlägigen Netzwerken liefen den ganzen Dienstag über Meldungen, Fragen und Kommentare, ob die Razoni besser am Schwarzen Meer oder am Bosporus gefilmt werden könnte. Etliche verfolgten das Schiff auf Marine Traffic, wo im Internet die jeweilige Position des Schiffes abgelesen werden kann.

Große Aufregung gab es, als die Razoni plötzlich für 8 Stunden in der Nacht von Montag auf Dienstag vom Bildschirm verschwand. Am Morgen war das Identifikationssystem dann wieder eingeschaltet und das Schiff erschien vor der Donaumündung. Dann sickerte durch, dass die Razoni sich aufgrund von schlechtem Wetter verspäten und erst in der Nacht zum Mittwoch in den Bosporus einlaufen würde. Viele befürchteten, die ganze Passage der Razoni könnte während der Nacht erfolgen und man würde überhaupt nichts mitbekommen.

Diesen Befürchtungen machte dann Admiral Ozcun Altunbudak am Dienstagmittag ein Ende. Altunbudak ist Vorsitzender des in Istanbul gegründeten Koordinationszentrums, das die Passage der Schiffe von der Ukraine bis Istanbul überwacht und wo neben türkischen auch ukrainische und russische Militärs und Vertreter der UNO die Umsetzung der Istanbul-Vereinbarung überwachen.

Altunbudak sagte auf einer improvisierten Pressekonferenz, die Razoni werde zwar in der Nacht zu Mittwoch erwartet, aber erst in den Morgenstunden um 8 Uhr herum inspiziert. Das Schiff werde im Bosporus ankern und dort von Vertretern aller Parteien des Kontrollzentrums untersucht werden.

Prestigeerfolg für die Türkei

Für die Türkei ist der Abschluss der Vereinbarung zwischen der Ukraine und Russland in Istanbul ein großer Prestigeerfolg. Endlich kann das Land mal richtig punkten, was die türkische Presse mit großen Headlines auskostet. Türkische Regierungsvertreter versuchen denn auch eifrig die Bedenken zu zerstreuen, die dem Abkommen im Westen entgegengebracht werden. „Ich rechne damit, dass bald jeden Tag ein weiterer Getreidefrachter in der Ukraine ablegen wird“, sagte ein hoher Regierungsvertreter der Nachrichtenagentur Reuters.

Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu träumte bereits öffentlich davon, dass das Getreideabkommen erst der Beginn erfolgreicher Verhandlungen unter türkischer Moderation sein werden. „Am Ende muss eine Friedensvereinbarung stehen“, fordert auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan immer wieder.

Doch ob die Umsetzung des Getreideabkommens wirklich klappt, muss sich noch zeigen. Russland will sichergestellt haben, dass in den Schiffen aus der Ukraine wirklich nur Getreide geladen ist und vor allem will die russische Seite verhindern, dass Frachter, die in den nächsten Wochen Odessa anlaufen, um Getreide zu holen, keine Waffen in die Ukraine transportieren.

Diese Kontrollen müssen einvernehmlich in Istanbul erfolgen, sonst geht es nicht weiter. Russland erwartet außerdem, dass die UNO ihrem in den Verträgen gegebenen Versprechen nachkommt und dafür sorgt, dass auch russisches Getreide und Düngemittel trotz der Sanktionen wieder auf den Weltmarkt kommt. Dazu gehört, dass die Frachter mit russischem Getreide und Düngemittel wieder versichert werden können, ohne dass die Versicherungsunternehmen Sanktionen fürchten müssen.

Doch auch ohne die Sanktionsandrohung wird es für Versicherungen schwierig. Die Transporte gehören zur Hochrisikoklasse, deshalb stellt sich die Frage, welche Versicherung das übernehmen will. Die größte Schiffsversicherung Lloyd’s aus London hat zwar jetzt angeboten, Getreidetransporte zu versichern, doch das kann teuer werden. Ob die weltweiten Getreidepreise dann trotzdem noch fallen, ist unklar.

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