Teilsieg für Sea-Watch

Europäischer Gerichtshof urteilt zugunsten der Seenotrettung, lässt aber Raum für Konflikte

Von Christian Rath

Deutsche Schiffe zur Flüchtlingsrettung dürfen in Italien nicht allein deshalb festgehalten werden, weil sie nur als Frachtschiffe zertifiziert sind. Das entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Fall der Sea-Watch-Schiffe. Schiffe können jedoch am Ausfahren gehindert werden, wenn sie eine Gefahr für Fahrgäste, Besatzung oder Umwelt darstellen.

Die Schiffe „Sea-Watch 3“ und „Sea-Watch 4“ gehören einem deutschen gemeinnützigen Verein, der versucht, möglichst viele in Seenot geratene Flüchtlinge im Mittelmeer zu retten. Die Schiffe fahren unter deutscher Flagge, sind in Deutschland aber nur als Frachtschiffe zertifiziert. Im Sommer 2020 nahmen die beiden Sea-Watch-Schiffe mehrere Hundert Mi­gran­t:in­nen an Bord, die mit ihren Schlauchbooten bei der Überfahrt nach Europa in Seenot geraten waren.

Dann wurden die Schiffe jedoch von den Hafenbehörden in Palermo und Porto Empedocle festgesetzt; es gebe erhebliche Mängel an Bord. Die Rettungsausrüstungen und Abwasseranlagen seien für 22 respektive 30 Personen ausgelegt und nicht für Hunderte von Flüchtlingen, obwohl der eigentliche Zweck der Schiffe doch darin bestehe, jeweils möglichst viele Menschen zu retten. Der Verein Sea-Watch klagte daraufhin vor dem sizilianischen Verwaltungsgericht, um die Schiffe wieder freizubekommen. Das Gericht legte den Fall jedoch erst einmal dem EuGH vor.

Der stellte nun fest, dass die bloße Anwesenheit von Hunderten Schiffbrüchigen auf den Sea-Watch-Schiffen noch keinen zulässigen Grund für Kontrollen der Hafenbehörden darstellen. Schließlich sei es nach dem völkerrechtlichen Abkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See die Pflicht jeden Schiffes, Menschen in Seenot aufzunehmen, unabhängig von der zugelassenen Kapazität.

Auch die bloße Tatsache, dass die beiden Sea-Watch-Schiffe von den deutschen Behörden nur als Frachtschiffe zugelassen wurden, dürfen die italienischen Hafenbehörden nicht nutzen, um ein Ausfahren zu verhindern. Die Hafenbehörden können ein Schiff aber immer dann festsetzen, wenn eine konkrete Gefahr für Fahrgäste, Besatzung oder Umwelt droht. Wenn abstellbare Mängel bestehen, können die Hafenbehörden deren Beseitigung verlangen. Ob solche im konkreten Fall vorlagen, müssen die Behörden und Gerichte vor Ort entscheiden, so die Luxemburger Richter:innen. Die Konflikte werden also weitergehen. (Az.: C-14/21 u. a.)