„Pimmelgate“-Verfahren eingestellt: Zu klein für öffentliches Interesse

Die Staatsanwaltschaft ermittelt nicht mehr: Nun ist die kleine Affäre um Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) und das Wort „Pimmel“ endlich vorbei.

Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) schaut auf ein Smartphone

Was trendet denn da? Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) schaut auf ein Smartphone Foto: Marcus Brandt/dpa

HAMBURG taz | Schluss damit: Wie am Samstag bekannt wurde, ermittelt Hamburgs Generalstaatsanwaltschaft nicht mehr in Sachen #pimmelgate – und das schon seit dem vergangenen März. Nachdem er in einem Tweet als „1 Pimmel“ bezeichnet worden war, hatte der Hamburger Innensenator Andy Grote (SPD) im Herbst vergangenen Jahres das große Besteck ausgepackt: morgendliche Hausdurchsuchung – da war der Tweet schon mehr als drei Monate alt.

An einem Mittwochmorgen um sechs Uhr stürmten sechs Po­li­zis­t*in­nen eine Privatwohnung und durchsuchten sie. Der Pimmeltweet sei eine Beleidigung, fand Grote. Derlei Hassrede gehöre strenger bestraft, auch – vielleicht gerade? –, wenn sie sich gegen einen Spitzenpolitiker richte.

Einerseits: Ja, stimmt, es soll nicht jeder und jede vermeintlich anonym herumpöbeln, ungestraft, da lag der Senator durchaus richtig. Andererseits ist der Kontext zu bedenken: Der genervte Pimmeltweet war ja eine Reaktion darauf, dass Grote Ende Mai 2021 im Corona-Zusammenhang öffentlich feiernde Menschen als „dämlich“ bezeichnet hatte – per Tweet übrigens.

Prompt wurde er dann online daran erinnert, dass er höchstselbst im Juni 2020 eine Wiederwahl-Party mit 30 Leuten veranstaltet hatte – und damit gegen die Coronaverordnung verstoßen.

Veritables Eigentor
Auf einem Plakat an der Roten Flora im Schanzenviertel steht "Andy, Du bist so 1 Pimmel, tritt zurück"

Hin und her: An der „Roten Flora“ übermalte die Polizei den anstößigen Text, der aber kehrte wieder Foto: Bodo Marks/dpa

Zudem schoss er sich mit dem martialischen Polizeieinsatz ein Eigentor: Andy Grote kennen nun Leute im ganzen Bundesgebiet und vor Ort in Hamburg eskalierte das Gerangel ums die anstößigen nicht mal 280 Zeichen:

Aufkleber tauchten überall auf; die linksautonome Rote Flora schrieb den Tweettext an ihre Fassade; bei Nacht und Nebel übermalte die Polizei das Wandbild – der Text tauchte trotzdem wieder auf, erweitert schließlich um einen Aufruf an Grote, zurückzutreten. Erstmals in der Geschichte, vermutlich, waren die Flora-Besetzer*innen und die Hamburger CDU sich einig.

Im September 2021 berichtete sogar die Weltpresse. Zum „Grote-Effekt“ hat es nicht ganz gereicht, das Phänomen, dass gerade der Versuch, etwas zum Verschwinden zu bringen, es online so richtig befeuert: Er heißt weiterhin nach der US-Schauspielerin Barbra Streisand.

Dass die Eskalation zweischneidig ist, scheint Grote geahnt haben, immerhin verzichtete er schon im November 2021 auf einen Strafantrag. Dass die Affäre nun offiziell beendet wäre – mit dieser These war die taz dann aber doch noch etwas zu früh dran.

Erst im März 2022 nämlich stellte Hamburgs Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich die Aktivitäten ein; gegenüber dem Hamburger Abendblatt verwies er nun auf „fehlendes öffentliches Interesse an der weiteren Strafverfolgung“. Fragile Männer könnten genau darin eine neuerliche Infragestellung erkennen – ob Andy Grote über dieses, Pardon, Stöckchen springt? Abwarten.

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