Tour de France der Frauen: Der Druck ist immens

Am Sonntag ist die Tour de France Femmes gestartet: eine Rundfahrt über acht Etappen. Der harte Kampf um Aufmerksamkeit sorgte für etliche Stürze.

Die Niederländerin Marianne Vos (Jumbo Visma) im Gelben Trikot bei der Siegerehrung

Die Niederländerin Marianne Vos (Jumbo Visma) fährt nach der 3. Etappe im Gelben Trikot Foto: Pachoud/dpa

„Es ist so schön“, sagt Marianne Vos. „Endlich haben wir diese Tour de France als ein Mehretappenrennen für Frauen.“ Die Niederländerin eroberte auf der zweiten Etappe das Gelbe Trikot, das die Spitzenreiterin im Klassement auszeichnet. Vos gehört aber auch zu den Pionierinnen des Frauenradsports, die die ASO, den Ausrichter der Tour de France der Männer, beständig an die Verantwortung erinnerten, endlich ein Frauenrennen auszurichten.

Wieder auszurichten, muss man sagen. Denn 1989 stellte die ASO ihr sechsjähriges Experiment einer Frauentour aus, wie es damals hieß, wirtschaftlichen Gründen ein. 33 Jahre später haben die Profiradsportlerinnen – inzwischen verdient das Gros der Tour-de-France-Femmes-Teilnehmerinnen tatsächlich ihren Lebensunterhalt auf dem Rad – endlich ihre Tour.

Sportlich ist die nicht grundsätzlich anders als andere Mehretappenfahrten. „Ich versuche zumindest, es für mich als normales Radrennen zu sehen“, sagte die Schweizer Vizeweltmeisterin im Zeitfahren, Marlen Reusser. Auch sie kann sich allerdings der besonderen Bedeutung der Erstaustragung der Tour de France Femmes nicht entziehen. „Es ist schon sehr speziell, und jeder ist extra motiviert“, sagt sie.

Dessen ist sich jede Person bei diesem historischen Ereignis bewusst, ob Fahrerin, Ausrichterin oder Teammanager. „Es ist ein neuer Standard, der hier gesetzt wird“, sagt Ronny Lauke der taz. Der Lausitzer ist seit mehr als zehn Jahren als sportlicher Leiter und Rennstallchef aktiv, hat viele Aufs und nicht wenige Abs in der Branche erlebt. „Jetzt ist es für alle etwas Besonderes, unter der größten Marke im Radsport zu fahren: für die Fahrerinnen selbst, aber auch für die Teams und die Sponsoren“, schätzt der Chef des einzigen deutschen WorldTour-Teams, Canyon SRAM Cyling, ein. Lauke erhofft sich wie alle andere vor allem wegen der stärkeren medialen Vermarktung einen weiteren Entwicklungsschub durch diese erste Tour de France.

Stürze und Kampf und Gelbe Trikot

Dieser Schub ist auch mit Schmerzen verbunden. Das mussten einige Fahrerinnen bereits erfahren: 13 der insgesamt 144 Starterinnen schieden schon aus. Entweder wurden sie nach Stürzen direkt ins Krankenhaus gebracht oder sie verpassten aufgrund von Sturzverletzungen das Zeitlimit. Ursache dafür ist natürlich auch der Druck, der vom Gelben Trikot ausgeht. „Jeder will es gern haben, jeder kämpft darum“, sagt Lisa Brennauer. Die Weltmeisterin und Olympiasiegerin will es natürlich auch tragen. Vor allem über Fluchtgruppen rechnet sie sich Chancen aus.

1989 stellte die ASO die Tour der Frauen ein. 33 Jahre später sind die Hoffnungen groß

Druck wird aber auch im Konvoi der Begleitwagen erzeugt. „Man sieht dort beträchtliche Unruhe“, beobachtet Lauke. „Manche verlassen immer wieder ihre Position und turnen dann vor einem herum. Diese Nervosität, die einige Teammanager und sportlichen Leiter mitbringen, und die auch wirklich sichtbar ist, überträgt sich dann auf die Fahrerinnen. Die werden nervös und fangen dann an Fehler zu machen.“ Hauptursache sei der Wille einiger Teammanager, jetzt besonders gut performen zu müssen. „Die sagen sich: Jetzt haben wir diese Plattform. Und jetzt müssen wir allen zeigen, wie geil wir sind. Als Fahrerin möchtest du deinen Chef nicht enttäuschen oder Argumente liefern dafür, dass das, was man getan hat, nicht richtig war“, fasst Lauke das Dilemma zusammen.

Er selber will, wie auch die erfahrene Athletin Reusser, Druck aus dem Rennen nehmen und es als normalen Wettkampf annehmen. Das fällt aber nicht leicht, wenn die Tour in mehr als 190 Länder übertragen wird, und auch am Straßenrand eine Welle der Begeisterung zu spüren ist.

Marion Rousse, die Chefin der Tour de France Femmes, hat hier einen guten Job gemacht. Sie mobilisierte viele Zuschauer, die zur Strecke kommen, etliche Kinder und Jugendliche erscheinen in größeren Gruppen. Sie sehen junge Frauen, die keine abgehobenen Stars mit Millionengehältern sind, sondern ein Leben leben, das ihnen – trotz aller Sturzrisiken – sichtbar Freude bereitet. Das kann auch die Botschaft eines Radrennens sein.

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