Pressekonferenz von Olaf Scholz: Kanzler beim Balanceakt

Olaf Scholz gibt sich nach dem Urlaub munter. Er verteidigt die Steuerpläne von Finanzminister Lindner und inszeniert sich als Mann der kleinen Leute.

Olaf Scholz kratzt sich an der Nase

Scholz, gut gelaunt Foto: Lisi Niesner/reuters

BERLIN taz | Die Sommerpressekonferenz hat Scholz von Angela Merkel übernommen. Sie ist nicht das Einzige. Seine Art, kritische Fragen ins Leere laufen zu lassen, erinnert ebenfalls an seine Vorgängerin. Auch die Botschaft, die Scholz, lässig ohne Schlips, am Donnerstagvormittag verbreitet, kennt man von Merkel: Wir schaffen das.

Die Krisen folgen Schlag auf Schlag: Corona, Krieg in der Ukrai­ne, Energiepreise, Inflation, Gasmangel im Winter. Doch laut dem Kanzler hat die Ampelregierung alles im Griff. Schon im Dezember habe er weitsichtig Pläne entwickelt, was zu tun sei, wenn das Gas knapp werde. Die Regierung sorge mit den Entlastungspaketen für die soziale Abfederung der Krisenlasten.

Den Satz, die Ampelregierung lasse niemand allein, wiederholt Scholz ein halbes Dutzend Mal. Mit sozialen Protesten oder Unruhen wegen der Inflation, die Ärmere besonders hart trifft, rechnet der SPD-Mann daher nicht. Trotz aller Krisen werde der Mindestlohn auf 12 Euro erhöht, das Bürgergeld werde Hartz IV ablösen, das ehrgeizige Wohnungsbauprogramm entschlossen umgesetzt, die Energiewende dito.

Wenn ein anderer Eindruck entstanden sein sollte, dann, so die zarte Andeutung des Kanzlers, kann das nur an der komplett erschienenen Hauptstadtpresse liegen, die die segensreiche Politik der Ampel nicht in ganzer Pracht abbildet. Scholz erwähnt mehrfach die Erwerbsminderungsrente, die die Ampel kräftig erhöhen wird (Kosten: 2,6 Milliarden Euro jährlich). Davon sei in Leitmedien eher wenig zu sehen. Ebenso wenig wie von der „dramatischen Ausweitung des Wohngeldes“, die die Ampel beschlossen habe.

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Scholz inszeniert sich als Kanzler der kleinen Leute, der das Schicksal der Normal- und Geringverdiener, die mit 2.800 Euro brutto auskommen, stets im Blick hat. „Das wird meine Tätigkeit als sozialdemokratischer Kanzler bestimmen.“

Auch ein drittes Entlastungspaket werde kommen. Nur wann, das ist nicht zu erfahren. Aber, dass es wegen dieses dritten Pakets keinen Nachtragshaushalt geben und 2023 die Schuldenbremse wieder eingehalten werde.

Scholz ist für seine Verhältnisse ziemlich locker. Auf die Frage, ob er selbstkritisch sei, antwortet er: „Das ist etwas, zu dem ich trotz gegenteiliger Gerüchte fähig bin.“ Das zeigt immerhin Talent zur Selbstironie. Der Spaß hört für Scholz allerdings bei der Cum-Ex-Affäre auf, die ihm seit drei Jahren wie ein Schatten folgt. Als er in Hamburg regierte, erließen die Finanzbehörden einer Bank fällige Rückzahlungen aus kriminellen Deals.

Scholz beteuert mehrfach, dass er keinen politischen Einfluss auf diese Entscheidung ausgeübt habe. „Unglaublich viele Anhörungen, unglaublich viele Akten haben nur ein Ergebnis gebracht: Es gibt keine Erkenntnisse darüber, dass es eine politische Beeinflussung gegeben hat“, so Scholz. Es wäre erfreulich, wenn die Medien das mal zur Kenntnis nehmen würden, fügte der leichte genervte Kanzler hinzu. Zu dem Ex-SPD-Politiker Johannes Kahrs, in dessen Schließfach mehr als 200.000 Euro Bargeld gefunden wurden, habe er seit Ewigkeiten kein Kontakt mehr – und wüsste selbst gern, woher das Geld komme.

Anleihen bei Merkel

Der anwesend Abwesende bei dieser Kanzlershow ist FDP-Finanzminister Christian Lindner. Dessen Steuerpläne nutzen Reichen wesentlich mehr als Ärmeren. Wegen dieser sozialen Unausgewogenheit gibt es Kritik – nicht nur von der SPD-Linken, sondern auch von Mitte-Sozialdemokraten wie Achim Post. Scholz indes lobt den FDP-Mann, bemerkenswerterweise mit einem Vokabular, das an Merkel erinnert. Lindners Steuerpläne seien „sehr hilfreich“, das war Merkel Lieblingsadjektiv.

Der Kanzler verteidigt auch Lindners Versuch, die kalte Progression auszugleichen – also den Effekt, dass man bei Gehaltserhöhungen in eine höhere Steuerklasse rutscht. Das habe „der Finanzminister Olaf Scholz“ auch zweimal getan. Deshalb könne es „keine falsche Idee“ sein. Im Übrigen müssen man das Gesamtpaket aller ­Entlastungen sehen, und da sei jede Gruppe bedacht. Noch Fragen?

Der Zweck dieses demons­trativen Schulterschlusses des Kanzlers mit dem Finanzminister ist klar. Die FDP ist der in jeder Hinsicht schwächste Part in der Ampel. Von ihr kommen kaum brauchbare Ideen. Sie steht, als Partei, die in das rot-grüne Lager gewechselt ist, im Feuer der Union, die den Liberalen genüsslich Verrat an ihrer Sparpolitik verhält.

Scholz’ Job ist es, die Regierung zusammenzuhalten – deshalb hört man von ihm kein kritisches Wort in Richtung FDP. Übergewinnsteuer und höhere Einkommensteuer, die im SPD-Wahlprogramm stand, wird es mit der Ampel nicht geben. Scholz macht nicht den Eindruck, dass ihn das besonders bekümmert.

So ist bei dem mehr als eineinhalbstündigen Auftritt ein heikler Balanceakt zu besichtigen. Scholz tritt in doppelter Rolle auf – als von den Irrtümern des Neoliberalismus geheilter Sozialdemokrat, der in krisengrauen Zeiten über den kleinen Leute einen Schutzschirm aufspannen will, und als Schutz­engel der FDP, der nichts auf Lindner kommen lassen will. Die Gefahr abzustürzen ist da.

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