Arbeitskampf bei Lieferdiensten: Einmal Betriebsrat bitte

Der Streit um die Betriebsratsgründung bei Hellofresh landet vor Gericht. Bei Lieferando wurde trotz Union Busting eine Arbeitervertretung gewählt.

Ein Mann bekommt eine HelloFresh Kochbox mit der Aufschrift «Kochen mit Liebe» überreicht.

Liebe fürs Kochen, aber nicht für die Mitarbeiter*innen: Hellofresh soll Union Busting betreiben Foto: Daniel Naupold/dpa

BERLIN taz | Die Gewerkschaft Verdi hat am Mittwoch beim Arbeitsgericht die Einsetzung eines Wahlvorstands für den Berliner Lebensmitteldienst Hellofresh beantragt, wie die taz exklusiv erfuhr. Zuvor hatten die Kan­di­da­t*in­nen für den Wahlvorstand mit 49,5 Prozent der Stimmen knapp die erforderliche Mehrheit verfehlt. Verdi führt das auf eine Desinformationskampagne des Managements zurück. „Es wird versucht, betriebliche Mitbestimmung zu verhindern, indem gezielt Falschinformationen gestreut werden“, sagte Gewerkschaftssekretärin Franziska Foullong am Donnerstag zur taz.

Franziska Foullong, Verdi

„Es wird versucht, betriebliche Mitbestimmung zu verhindern, indem gezielt Falschinformationen gestreut werden“

So hätten mehrere Informationsveranstaltungen der Unternehmensführung stattgefunden, bei denen unter anderem erklärt worden sei, wie die Wahl des Wahlvorstands verhindert werden kann – etwa indem Angestellte an der Versammlung teilnehmen, sich aber enthalten, damit keine Mehrheit zustande kommt. Auch seien Ge­werk­schaf­te­r*in­nen offen unter Druck gesetzt und eingeschüchtert worden. „Die Wahl­in­itia­to­r*in­nen sollen so an ihrer Arbeit gehindert und andere Mit­ar­bei­te­r*in­nen abgeschreckt werden“, so Foullong.

Die gewerkschaftsfeindliche Politik der Geschäftsführung von Hellofresh bleibe bei den Beschäftigten nicht ohne Wirkung: Viele seien nicht deutschsprachig und lebten erst kurze Zeit in Deutschland. Ihnen fehle die Erfahrung mit Betriebsratswahlen und viele hätten Angst, sich zu äußern, um ihr Arbeitsvisum nicht zu gefährden, so die Gewerkschafterin.

Zuvor hatte das Hellofresh-Management versucht, eine alternative Ar­bei­te­r*in­nen­ver­tre­tung zu bilden. Der von der Unternehmensführung vorgeschlagene „Fresh Council“ besitzt im Gegensatz zu einem Betriebsrat jedoch keine Rechte. Die In­itia­to­r*in­nen lehnten das ab und bestehen auf Betriebsratswahlen.

Verdi will die Einsetzung eines Wahlvorstands, der für die Durchführung der Betriebsratswahlen verantwortlich ist, nun gerichtlich erzwingen. Hellofresh ist das einzige DAX-Unternehmen, in dem auf keiner Ebene Ar­bei­te­r*in­nen durch einen Betriebsrat repräsentiert werden. Das 2011 in Berlin gegründete Unternehmen vertreibt Kochboxen mit Rezepten und beschäftigt insgesamt knapp 15.000 Personen, davon 1.300 in Berlin.

Lieferando-Rider wählen Betriebsrat

Immer mehr Angestellte von Lieferdiensten wehren sich mit Betriebsratsgründungen gegen die schlechten Arbeitsbedingungen. Bei Gorillas wurde Ende November vergangenen Jahres eine Ar­bei­te­r*in­nen­ver­tre­tung gewählt, nachdem das Start-up vor dem Berliner Arbeitsgericht damit gescheitert war, die Wahl zu verhindern. Bei Dropp konnten Anfang Mai Betriebsratswahlen stattfinden, nachdem eine einstweilige Verfügung des Unternehmens gerichtlich gestoppt wurde. Seit dieser Woche haben auch die Berliner Rider bei Lieferando einen Betriebsrat. Bei Getir soll voraussichtlich Anfang September eine Betriebsratswahl stattfinden. Bei Flink soll am 5. September ein Wahlvorstand gewählt werden, der Fall liegt derzeit vor dem Arbeitsgericht. (mfr)

Beim Lebensmittel-Bringdienst Lieferando haben die rund 1.400 Berliner Ku­rier­fah­re­r*in­nen seit dieser Woche einen Betriebsrat. Laut Wahlvorstand beteiligten sich 200 Rider an der Wahl vergangene Woche. Der künftige Betriebsrat wird 17 Mitglieder haben und ist demnach der größte bei Lieferando in Deutschland.

Lieferando habe zuvor erfolglos versucht, die Betriebsratswahl zu beeinflussen, so der Wahlvorstand am Donnerstag. So hatten 24 Büroangestellte des Unternehmens gegen die Wahl geklagt, die Rider vermuten dahinter die Geschäftsführung. Die Klage wurde ebenso abgewiesen wie die des Managements auf Abbruch der Wahl.

Auch sei der Wahlvorstand in seiner Arbeit behindert worden, etwa indem fehlerhafte Mit­ar­bei­te­r*in­nen­lis­ten zur Verfügung gestellt, Wahlkosten nicht zurückgezahlt und Mitglieder unter Druck gesetzt worden seien. „Union Busting wird leider immer brutaler“, so ein Mitglied des Wahlvorstands. „Arbeiter*innen, die sich für Mitbestimmung im Betrieb einsetzen, sind der Willkür des Managements ohne effektiven Schutz ausgesetzt.“

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