Vor Wahl im Oktober: Angst vor Putsch in Brasilien

Viele Bra­si­lia­ne­r*in­nen fürchten, dass Präsident Jair Bolsonaro eine Wahlniederlage im Oktober nicht akzeptiert. Jetzt gehen sie auf die Straße.

Bolsonaro vor blauem Hintergrund

Bolsonaro bei einer Zeremonie Foto: Ueslei Marcelino/reuters

BERLIN taz | Am 8. August 1977 kamen vor der Rechtsfakultät der Universität von São Paulo Tausende Menschen zusammen. Ein Brief wurde vorgelesen, der Brasiliens rechte Militärdiktatur anklagte und eine Rückkehr zur Demokratie forderte. 45 Jahre später, an diesem Donnerstag, wird an gleicher Stelle erneut ein offener Brief vorgestellt. Die klare Forderung: Die Ergebnisse der im Oktober stattfindenden Wahlen müssten unbedingt akzeptiert werden. In Brasilien, heißt es dort, gebe es keinen Platz für „autoritäre Rückschritte“.

Neben der offiziellen Vorstellung des Briefes in São Paulo, zu der Tausende Menschen erwartet werden, wird es im ganzen Land Kundgebungen geben, wo der Brief ebenfalls vorgelesen wird.

Auch wenn dort kein Name genannt wird, ist klar, wem die Botschaft gilt: Jair Bolsonaro. Der ultrarechte Präsident hat mehrfach angekündigt, das Votum anfechten zu wollen. Unlängst säte er bei einem Treffen mit Bot­schaf­te­r*in­nen erneut Zweifel am elektronischen Wahlsystem, obwohl erst im Mai ein Sicherheitstest ohne Beanstandungen verlaufen war.

„Nur Gott“ könne ihn aus seinem Amt entfernen, hatte der rechte Rüpel mehrfach erklärt. Was Donald Trump nach seiner Niederlage in den USA versuchte, könnte Bolsonaro in Brasilien noch steigern, fürchten viele.

Auch einstige Bolsonaro-Freunde unterzeichnen

Antidemokratische Drohungen Bolsonaros sind kein Novum – ein größerer gesellschaftlicher Aufschrei blieb meist jedoch aus. Jetzt aber, wenige Wochen vor Wahl, kommen mit dem Manifest erstmals ganz verschiedene politische und gesellschaftliche Lager gegen Bolsonaros Putschfantasien zusammen.

Unterzeichnet wurde der Brief von Richter*innen, Musiker*innen, Intellektuellen, Sport­le­r*in­nen und bis zum Ende des Redaktionsschlusses fast eine Millionen Brasilianer*innen. Auch Ex-Präsident Lula, der am 2. Oktober bei der Wahl gegen Bolsonaro antreten wird und mit klarem Vorsprung führt, sowie acht weitere Prä­si­dent­schafts­kan­di­da­t*in­nen unterschrieben den Brief. Nur der Name Bolsonaro fehlt.

Bei einem Treffen mit Ban­ke­r*in­nen kritisierte der Präsident am Montag die Initiative und erklärte: „Wer Demokrat ist, muss kein Briefchen unterschreiben.“ Ebenso rückte er die Kampagne in die Nähe von Lula, obwohl der Name des Ex-Präsidenten und Kandidaten im Text an keiner Stelle genannt wird.

Ein herber Schlag dürfte für Bolsonaro die Unterschrift einiger ihm traditionell nahestehender Kräfte sein. Der Präsident des rechten Industrieverbandes von São Paulo sowie einige bekannte Un­ter­neh­mer­ver­tre­te­r*in­nen unterzeichneten das Manifest. Bei der Wahl 2018 hatten sich viele Ver­tre­te­r*in­nen der Wirtschafts­elite auf die Seite Bolsonaros geschlagen. Viele Unternehmer*innen, vor allem Agrarmultis, stehen zwar weiterhin treu hinter ihm. Dass nun aber einige zur Verteidigung der Demokratie aufrufen und ihr Vertrauen in den Wahlprozess ausdrücken, ist eine klare Ansage an Bolsonaro.

Ohne die Unterstützung der Elite könnte es für Bolsonaro schwer werden, die Wahl doch noch zu gewinnen. Auch die Wahrscheinlichkeit eines autoritäres Bruchs ist ohne die Unterstützung der Wirtschaft recht klein.

Dass sich Teile der Elite abwenden, dürfte jedoch nichts mit einem generellen Richtungswechsel zu tun haben. Nicht Bolsonaros menschenverachtende Politik ist zum Problem geworden, sondern ganz alleine die wirtschaftliche Instabilität. Brasilien steckt in einer schweren Wirtschaftskrise. Fast alle Ana­lys­t*in­nen sind sich sicher: Die ökonomische Flaute und die wachsende Armut werden den Wahlkampf bestimmen, der offiziell am 16. August beginnt.

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