kritisch gesehen
: Aus dem Inneren der Bildermaschine

Wie viel Zeit haben Sie mitgebracht? Noch bis Anfang Oktober ist im Hamburger Kunstverein „Mirror of Desire“ zu sehen, die erste umfassende Würdigung der kalifornischen Videokünstler Bruce und Norman Yonemoto in Deutschland. Dass sich an deren Werk hier bislang niemand recht herangetraut zu haben scheint, stiftet einen guten Anlass, sich zu wundern. Denn sie sind nicht nur auf eine doppelbödige Weise klug, diese filmischen Arbeiten, sondern teils auch enorm unterhaltsam. Oder sollte das Erklärung sein für die Zurückhaltung: eine zutiefst deutsche Skepsis gegenüber als allzu leicht Identifiziertem?

Nachdem sie getrennt voneinander studiert hatten, arbeiteten Bruce Yonemoto, geboren 1949, und sein drei Jahre älterer Bruder Norman, 2014 verstorben, ab 1976 zusammen. Ihr erster gemeinsamer – nicht jugendfreier – Film „Garage Sale“ ist nun in Hamburg zu sehen, ebenso „Green Card: An American Romance“, 1982 der dritte und letzte Teil ihrer „Soap Opera Series“. Die Genre-Bezeichnung legt eine Spur aus in die richtige Richtung: Die Yonemotos bedienen sich bei der Werbung und dem sie umgebenden Nachmittags-TV; beim gleichermaßen Bilder und Konventionen produzierenden klassischen Hollywood – aber genauso bei dessen so gerne verdrängtem anderen, der Porno-Industrie des San Fernando Valley. Was sie hier wie dort vorfinden, wird zitiert, übersteigert, queer unterwandert, auch psychoanalytisch durchleuchtet; ein besonders schönes Beispiel, „Made in Hollywood“, finanzierte 1990 sogar das ZDF mit.

Wie viel Zeit haben Sie mitgebracht? Je nachdem, lässt sich „Mirror of Desire“ in drei Geschwindigkeiten erleben: Beim Reinkommen gibt es auf großer Leinwand eine schnell montierte Collage aus Schnipseln und Schnipselchen; vielleicht ja für in der Mittagspause Durchrauschende? Mehr Ruhe, gar eine Art kuratorischer Autonomie genießt, wer einen Sitzsackplatz vor einem der vier Monitore ergattert: Hier lassen sich die acht Filme per Knopfdruck ansteuern.

Wer es aber weniger neoliberal möchte, dafür gemeinschaftlicher, der geht, wie in der Welt da draußen auch, ins Kino: ein Raum im Raum, darin bequeme Sofas, und groß projiziert an jedem (Öffnungs-)Tag das ganze Programm. Den ganzen Spielplan mitzunehmen, dauert rund sechs Stunden – und es lohnt sich. Alexander Diehl

Mirror of Desire: bis 2. 10., Hamburg, ­Kunstverein