Tischtennisspieler Qiu über die EM: „Chancenlos sind wir nie“

Dang Qiu steht in der Tischtennis-Weltrangliste vor Timo Boll. Ein Gespräch über die EM und die deutschen Chancen, bei Olympia China zu schlagen.

Tischtennisnationalspieler Dang Qiu in Aktion

Mit Penholder-Stil an die deutsche Spitze: Dang Qiu Foto: imago/Reviersport

taz: Herr Qiu, in der Tischtennis-Weltrangliste stehen Sie vor Timo Boll. Wie fühlt sich das an?

Dang Qiu: Die Weltrangliste ist immer nur eine Momentaufnahme. Ich habe mich natürlich sehr über den zehnten Platz, meine bislang höchste Platzierung, gefreut.

Was trauen Sie sich noch zu?

Mir geht es insgesamt nicht darum, bestimmte Personen zu übertrumpfen. Ich versuche jeden Tag, mein Spiel zu verbessern, genau wie viele andere Spieler auf der Welt. Es muss viel zusammenkommen und passen, um in der Weltrangliste noch weiter nach oben zu kommen.

Mit 25 Jahren sind Sie unter den deutschen Spitzenspielern der jüngste. Haben wir bald ein Nachwuchsproblem?

Wie man an Timo Boll sehr gut sieht, kann Tischtennis auch noch in höherem Alter auf absolutem Top-Level gespielt werden. Junge Spieler machen häufig Sprünge, die sich noch wenige Monate zuvor nicht abgezeichnet haben. Wir haben in Deutschland insgesamt einige Spieler mit Potenzial, aber der Weg in die absolute Weltspitze ist weit. Wer diesen Sprung schafft, ist fast unmöglich im Vorfeld zu bestimmen, zu viele Faktoren spielen über Jahre hinweg eine Rolle.

Timo Boll hält noch im Alter von 41 Jahren in der Weltspitze mit. In China hingegen zählt einer wie Sie mit 25 fast schon zum alten Eisen. Woran liegt das?

Die Systeme sind in vielerlei Hinsicht nicht miteinander vergleichbar. In China werden in jungen Jahren erheblich größere Trainingsumfänge absolviert als in Deutschland. So erreichen diese Spieler schon frühzeitiger ein höheres Niveau. In Deutschland verschiebt sich dies um einige Jahre weiter nach hinten. Da China allein aufgrund der Größe des Landes keine Nachwuchsprobleme in der dort sehr populären Sportart Tischtennis hat, findet ein beständiger Durchlauf von Spielern statt – und die Spitzenspieler beenden ihre Karrieren früher.

Wie sind die deutschen Chancen bei einer WM oder Olympia, China zu schlagen?

Chancenlos sind wir als Team nie, nein. Dennoch müssen bei so einem Match viele Faktoren aufeinandertreffen, um ein chinesisches Team schlagen zu können. Wir werden es natürlich immer versuchen und unser Bestes geben, aber es ist sehr schwer, ein so kompaktes chinesisches Team zu schlagen.

25, geboren im schwäbischen Nürtingen, spielt bei Borussia Düsseldorf in der Bundeliga. Seine Eltern waren in der chinesischen Nationalmannschaft aktiv.

Was macht China so viel besser als alle anderen?

Sie trainieren sehr hart und akribisch und das schon mit sehr jungen Jahren. Sie haben enormes Potenzial aufgrund der Bevölkerungsgröße und der Tatsache, dass viel mehr Trainer pro Spieler zur Verfügung stehen. Das sind sicherlich einige der Faktoren, warum im Tischtennis kein Weg an China vorbeiführt.

Aber bei der EM, die jetzt in München stattfindet, ist Deutschland Favorit, oder?

Zunächst einmal zum Mixed: Als Vorjahressieger ist es natürlich unser Ziel, den Titel 
noch einmal zu gewinnen. Aber das wird nicht einfach, denn es gibt in Europa einige sehr starke Mixed-Kombinationen. Im Doppel zähle ich gemeinsam mit Benedikt Duda zu den Favoriten. Ich hoffe, dass wir das eine oder andere Match gewinnen und vielleicht am Ende auch ganz oben stehen können. Im Einzel zählen wir natürlich zu den Favoriten und dieser Rolle wollen wir auch gerecht haben.

Duda muss also nicht fürchten, dass Sie ihn zum Beispiel für Ihren Düsseldorfer Vereinskameraden Timo Boll verlassen? Als Linkshänder würde er eigentlich ideal zu Ihnen als Rechtshänder passen: Sie stünden sich nicht im Weg und könnten beide Vorhand spielen.

Zunächst einmal wäre es eine große Ehre, mit Timo Doppel zu spielen. In der Bundesliga traten wir schon zweimal an und gewannen auch. Das hat gut funktioniert. Allerdings muss Benne nicht fürchten, dass ich untreu werde. Wir sind ein zusammengeschweißtes Doppel. In der Nationalmannschaft kann es aber dazu kommen, dass wir für wichtige Kämpfe andere Kombinationen ausprobieren. Da haben die Trainer absolut ein Vorrecht zu entscheiden, mit welchen Kombinationen wir Doppel spielen. Allerdings bin ich mit Benne als Doppelpartner höchst zufrieden und will mich gewiss nicht beschweren. Dass aber Timo Boll ein guter Doppelspieler ist, darüber müssen wir uns auch nicht streiten.

Boll spielt, so ihn seine Rippenprobleme nicht weiter plagen, mit Patrick Franziska die EM. Zwei erstklassige Einzelspieler machen jedoch noch kein besseres Doppel?

Zwei gute Einzelspieler sind natürlich von Vorteil. Aber man kann nicht zu 100 Prozent sagen, dass die automatisch gut harmonieren. Da spielen auch viel Training, Spin, wie die Bälle zurückkommen und Laufwege eine Rolle. Das muss man viel trainieren, um zu wissen, wie der Partner darauf reagiert.

Sie sind der erste Penholder-Nationalspieler, der in Deutschland geboren wurde. Welche Vor- und Nachteile haben die beiden Griffhaltungen?

Das moderne Penholder-Spiel hat sich sehr dem Shakehand-Spiel angepasst. Durch die andere Griffhaltung ergeben sich beim Penholder-Stil durch das etwas freiere Handgelenk mehr beziehungsweise etwas andere Rotationsmöglichkeiten. Gleichzeitig ist die Durchschlagskraft beim Shakehand-Stil gegebenenfalls größer, weil man den Schläger etwas fester greifen kann.

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