Nord-Derby in der Bundesliga: Zum Auftakt gute Stimmung

In Wolfsburg trennen sich der VfL und Werder Bremen am ersten Bundesliga-Spieltag 2:2. Für Wolfsburg ist es ein schmeichelhaftes Ergebnis.

Zwei Bremer schauen auf den Ball im eigenen Tor

Zu spät: Mit 1:0 ging der VfL Wolfsburg in Führung Foto: Swen Pförtner/dpa

WOLFSBURG taz | Es gibt ja viele Vorurteile, was das Fußballpublikum in Wolfsburg angeht. Aber zum Saisonauftakt war die VW-Arena fast ausverkauft und grün, so weit das Auge reichte. Es herrschte glänzende Stimmung. Allerdings hauptsächlich durch die vielen Werder-Fans, die ihren Gastgebern ein zackiges „Ihr seid scheiße wie der HSV“ entgegenschmetterten.

Das soll vermutlich eine Beleidigung darstellen. Dabei waren gar nicht einmal alle stimmgewaltigen Werder-Anhänger ins Stadion gekommen, ein paar hundert Ultras hatten offenbar aus Protest gegen Personenkontrollen schon am Bahnhof wieder kehrtgemacht, andere probierten dort schmackige Beleidigungsgesänge aus.

Das 2:2 ist ein schmeichelhaftes Ergebnis für den VfL Wolfsburg und ein ärgerliches für den SV Werder. Oder wie Trainer Ole Werner sagte: „Ein Punkt, der sich nach dem Spielverlauf wie zwei zu wenig anfühlt.“ Wenn man einem Gast unbedingt signalisieren wollte, dass hier und heute etwas geht, dann sollte man die Wolfsburger Zweikampfführung in der ersten Halbzeit kopieren. Einen Großteil der Partie und über weite Strecken der zweiten Hälfte brachte der VfL bei 1:2-Rückstand kein strukturiertes Offensivspiel zustande und auch keine spontane Kreativität.

Am Ende brachte Trainer Niko Kovac als fünften Wechsel doch noch den Rekonvaleszenten Max Kruse, der dann auch tatsächlich den Ausgleich vorbereitete. Der ebenfalls eingewechselte Josuha Guilavogui traf im Stile eines Guilavogui, also mit dem einen von hundert Versuchen, bei dem er den Ball mit dem Vollspann ins Tor wuchtet (84.). Niclas Füllkrug (21.) und Leonardo Bittencourt (23.) erzielten die Tore für Werder, Lukas Nmecha (11.) hatte den VfL in Führung gebracht.

Werder spielt mutig

Man darf nicht zu erstaunt tun über Werder Bremen und den strukturierten (3-2-2-2), kontrollierten und gleichzeitig mutigen Fußball, den Trainer Ole Werner spielen ließ. Immerhin absolviert der Aufsteiger das 58. Jahr in der Bundesliga, das ist gemeinsam mit den Bayern Spitze. Aber man darf auch nicht vergessen, dass der frühere europäische Spitzenclub inzwischen ein Kleinclub ist, überholt von früheren Zwergen wie dem SC Freiburg und restrukturierten Traditionsclubs wie Eintracht Frankfurt oder Mönchengladbach.

Werder konnte insgesamt vier Millionen Euro in Ablöse investieren, alle in den dänischen Mittelfeldspieler Jens Stage, muss im Wesentlichen dem Aufstiegsteam vertrauen und hoffen, dass seine Aufstiegstorjäger Marvin Ducksch und Füllkrug (zusammen 40 Zweitligatore) auch in der Bundesliga treffen, was Füllkrug schon mal selbstbewusst gelang, als er die Abstimmungsprobleme in der VfL-Abwehr erspähte und ausnutzte.

Man habe heute lernen müssen, dass „eine Unachtsamkeit reicht, um ein Tor zu kassieren“, sagte Ole Werner mit Bezug auf den späten Ausgleich. „Ich glaube trotzdem, dass wir heute gesehen haben, dass man mit der Art und Weise, wie wir Fußball spielen wollen, erfolgreich Spiele bestreiten kann.“

Was die VW-Tochter VfL Fußball GmbH angeht, so hat der neue Trainer Niko Kovac, 50, eine Titelprämie im Vertrag, was zumindest für den Fall der Meisterschaft angesichts der Dominanz des FC Bayern jeder Manager anderer Teams gefahrlos in beliebiger Höhe versprechen kann. Der VfL war nach zwei starken Jahren und Champions-League-Teilnahme auf Rang 12 abgestürzt, Chefstratege Jörg Schmadtke hatte sich nach dem Glücksgriff Oliver Glasner mit zwei Trainern (van Bommel, Kohlfeldt) verschätzt.

Was macht Max Kruse?

Wie immer in der Honeymoon-Phase sind alle Beteiligten voller Hoffnungen und guter Worte, mit Kovac herrsche „Aufbruchstimmung“, er habe eine „klare Linie“, es werde „intensiver“ trainiert, was man halt so sagt und sehnlich wünscht, dass es wahr wird. Der VfL hat seinen wichtigsten Powerspieler verloren, den Ballgewinner Xaver Schlager.

Und jedenfalls nach Ansicht der ersten beiden Pflichtspiele (das erste war ein mühsames 1:0 im Pokal bei Viertligist Jena) sein mehrjähriges Lösungsproblem im Ballbesitzspiel noch längst nicht überwunden. Zwar hat man jede Menge kreative Offensivdribbler auf potenziell gehobenem Niveau (Brekalo, Marmoush, Wald­schmitt, Kaminski, Philipp), aber so richtig hat sich noch keiner als Unterschiedspieler kenntlich gemacht.

Abgesehen von dem wirklich solitären Fußballer Max Kruse, der, wie Bild berichtet, in kürzester Zeit auf 300 Stundenkilometer beschleunigen kann. Allerdings braucht er dazu die Hilfe eines 800-PS-Benziners aus seiner Fahrzeug-Sammlung. Kruse ist 34, war noch nie der Schnellste und Athletischste, aber er hat seit seiner Rückkehr im Januar in seinen guten Spielen oder Momenten die losen Fäden beim VfL zusammengebunden. Bei Union Berlin hatte er nach einer guten Zeit den Rückhalt des Trainers verloren, man wird sehen, wie Kovac und er harmonieren.

Auf die Frage, warum Kruse eigentlich erst nach 75 Minuten gekommen sei, sagte Kovac: „Weil ich ihn erst nach 75 Minuten gebracht habe.“ Somit mögen nach einem Spieltag fast alle Fragen offen sein, aber das ist damit schon mal klar.

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