Taiwan-Besuch von US-Politikerin Pelosi: Kommt sie oder kommt sie nicht?

Im August könnte US-Politikerin Nancy Pelosi Taiwan besuchen. Doch Pekings Drohgebärden lassen Präsident Biden und das Militär zurückschrecken.

EIn Militärboot for der Skyline Taipeis

Vorbereitungen auf den Ernstfall: Eine Militärübung in Taiwan Foto: rtr

SEOUL taz | Bislang ist der im August erwartete Taiwan-Besuch von Nancy Pelosi, Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, nur ein hypothetisches Gedankenspiel. Weiterhin gibt es schließlich keine offizielle Bestätigung. Doch allein die Spekulationen haben Pekings Parteiführung bereits derart verärgert, dass Experten auf beiden Seiten des Atlantiks eine deutliche Eskalation befürchten. Mehr noch: Auch militärische Maßnahmen scheinen so wahrscheinlich wie lange nicht mehr.

Fakt ist: Für Peking wäre eine mögliche Reise der US-Demokratin eine willkommene Steilvorlage, anhand derer man mit möglichst drastischen Machtdemonstrationen beweisen könne, wie unerschütterlich der eigene Legitimitätsanspruch über den Inselstaat ist. Die Frage ist nur: Wie weit wäre die Staatsführung bereit zu gehen?

Die Gerüchteküche in Washingtons Denkfabriken brodelt gewaltig, und die Drohgebärden von Chinas Staatsjournalisten und Diplomaten haben unlängst ein bedrohliches Ausmaß erreicht. Es wird offen darüber debattiert, dass Peking kurzerhand eine Flugverbotszone rund um Taiwan aussprechen könne, um eine Landung von Pelosi in Taipeh zu verhindern.

Hu Xijin, ehemaliger Chefredakteur der nationalistischen Global Times, forderte in einem „social media“-Posting, dass ihr Flugzeug militärisch von der Volksbefreiungsarmee eskortiert werden sollte. Und wiederum andere Experten halten selbst einen Abschuss der Maschine nicht für ausgeschlossen. „Wenn das die Volksbefreiungsarmee wirklich in Betracht zieht, dann könnten die Dinge sehr schnell wirklich gefährlich werden“, kommentiert der US-amerikanische Sinologe Bill Bishop in seinem Newsletter.

China zeigt immer deutlicher seine Machtansprüche über Taiwan

Wie ernst die Gefahrszenarien genommen werden, zeigt allein schon die Reaktion der US-Armee: Die Führung der Streitkräfte halte die Pläne Pelosis für „derzeit keine gute Idee“, bestätigte zuletzt Präsident Joe Biden.

Schlussendlich hat sich Washington in ein Dilemma hineinmanövriert, das nur mehr notdürftige Optionen überlässt: Wenn Pelosi ihren Besuch in das von Peking als „abtrünnige Provinz“ gewertete Taiwan antreten wird, könnte dies eine gefährliche Eskalationsspirale im Indo-Pazifik auslösen. Sollte die 82-Jährige hingegen die Reise absagen, wird sich Pekings Parteiführung in ihrem Glauben bestärkt fühlen, dass die Droh-Propaganda Wirkung gezeigt hat – und bei künftigen Aufeinandertreffen noch einschüchternder auftreten.

Bereits seit Jahren offenbart die KP immer deutlicher ihre Machtansprüche über das demokratisch regierte Taiwan. Regelmäßig entsendet das Militär Kampfflugzeuge in die sogenannte „Air Defense Identification Zone“ des Inselstaats, was vor allem die Streitkräfte Taiwans auf lange Sicht zermürben soll. Zudem lässt Staatschef Xi Jinping in seinen Reden keinen Zweifel daran, dass er Taiwan unweigerlich ins chinesische Mutterland eingliedern möchte – zur Not auch mit militärischen Mitteln.

Ein offener Krieg wäre dabei jedoch nur ein mögliches von vielen Szenarien. Wesentlich wahrscheinlicher wäre vielmehr, dass China durch eine umfassende Blockade des See- und Luftraums die Insel ohne direkten Feuerbeschuss in die Knie zwingt.

Im Herbst steht der Kongress der Kommunistischen Partei an

„Man sollte erwarten, dass Peking bei seiner Entschlossenheit, Taiwan mit dem Festland zu vereinen, unnachgiebig bleiben wird“, argumentiert auch der Sicherheitsexperte Ryan Hass vom Washingtoner „Brookings Institution“: „Die Spannungen über die Taiwanstraße werden sich in den kommenden Jahren wahrscheinlich weiter verschärfen“ und der Konflikt hätte das Potenzial, „zu einem Krieg zwischen China und den USA zu führen“.

Und tatsächlich ist der Zeitpunkt gerade äußerst delikat. Denn in China ist man der Auffassung, dass die Biden-Regierung systematisch plant, ihre sogenannte „Ein-China-Politik“ graduell zu verschieben – indem es den diplomatischen Austausch mit Taiwan Schritt für Schritt erhöht.

Gleichzeitig steht im Herbst die vielleicht wichtigste Polit-Veranstaltung in der Laufbahn Xi Jinpings an: Beim 20. Parteikongress der chinesischen KP wird der mächtigste Führer seit Mao Tsetung seine dritte Amtszeit ausrufen.

Gleichzeitig kriselt allerdings aufgrund der drastischen „Null Covid“-Strategie die Volkswirtschaft deutlich. Die Unzufriedenheit innerhalb der Bevölkerung ist aufgrund von Massenentlassungen und Lockdowns maßgeblich gestiegen, was auch die Gefahr erhöht, dass Xi den Frust seines Volkes mit zunehmendem Nationalismus übertünchen könnte. Eine Machtdemonstration in der Taiwan-Frage würde wohl bei den meisten der 1,4 Milliarden Chinesen große Zustimmung erfahren.

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