Konstruktivismus im Konferenzsaal

Vom grafischen Kampf des Künstlers Helios Gómez gegen Franco zeugt eine Ausstellung im Aufbauhaus

Der Mensch im Rhythmus der Maschinen: Ein Blatt aus der Berliner Mappe „Días de Ira“ von Helios Gómez, „Iberia“, Tusche auf Papier, 1930 Foto: Abbildung: Associació Helios Gómez, Barcelona & Stiftung Kai Dikhas Berlín

Von Ruth Lang Fuentes

Im Aufbauhaus am Moritzplatz werden seit Mitte Juni die Werke des avantgardistischen Malers Helios Gómez ausgestellt. Zu finden sind sie jedoch nicht so leicht. Denn wenn man die Ausstellung begutachten möchte, so muss ei­ne:n die Rezeptionistin zunächst zum Ausstellungsraum begleiten. Und der liegt einige Gänge weiter und dann fünf Stockwerke mit dem Aufzug nach oben.

Ob denn viele Menschen kämen, um die Ausstellung des in Berlin kaum bekannten Künstlers der spanischen Moderne zu besichtigen?, frage ich. Ja, ziemlich viele, meint sie. In der Eingangshalle trifft man an diesem Samstagnachmittag jedenfalls nur sie an – im Ausstellungraum dann genauso. Dieser ist eigentlich ein ganz normaler Konferenzraum mit einem großen Tisch in der Mitte und einer Kaffeemaschine in der Ecke (einen Kaffee bekommt man allerdings nicht). An den Wänden hängen die ausgestellten Bilder – die meisten im DIN-A4-Format – des „Flamenco-Spielers, Zeichners, Malers und libertäreren Kommunisten“, wie Gómez gern bezeichnet wird.

„Días de Ira. Tage des Zorns: Helios Gómez kehrt zurück nach Berlin“, so heißt die Ausstellung, die in Zusammenarbeit mit der Stiftung Kai Dikhas entstanden und in deren Räumen auch nun zu sehen ist.

Die Stiftung fördert Kunst und Kultur der Sinti und Roma, und Gómez – 1905 in Sevilla geboren – war ein spanischer Rom, ein sogenannter „gitano“. Ab den 1920er Jahren war er antifranquistischer Gewerkschafter, Maler, Plakatkünstler und ein „bedeutender Vertreter der künstlerischen Avantgarde Europas des frühen 20. Jahrhunderts“, heißt es in der Ausstellungsbeschreibung. Doch wenig bekannt in Deutschland. Dabei verbrachte der „Künstler mit roter Krawatte“ Teil seines Exils Ende der 20er in Berlin auf der Flucht vor der damaligen Militärdiktatur Primo de Riveras (1923–1930) in Spanien.

Diese Diktatur hat er dann in seinen Werken verarbeitet: in der Reihe „Días de Ira“ von 1930 zum Beispiel. Diese nimmt den größten Platz ein an den Wänden des Konferenzraums; ein Album, das die Internationale Arbeiterassoziation schon einmal vor über 90 Jahren, in Berlin veröffentlichte. „Hier präsentiert sich Gómez explizit als Roma“, heißt es. Hauptsächlich geben die schwarzweißen Zeichnungen aber das damalige Spanien aus seiner Sicht wieder – die Sicht eines „republicanos“, eines Roten. Der Stil hat dabei etwas von einer expressionistischen Graphic Novel.

Unter jedem Bild ein kommunistisches Gedicht

In der unteren linken Ecke jedes Bilds: ein kurzes kommunistisches Gedicht. Alle behandeln sie ein großes Thema: die Unterdrückung der Arbeiterklasse durch die Guardia Civil, die Fabrikbesitzer, die katholische Kirche, den Kapitalismus … „Es flieht vor dem Leben/ das idiotisierte Volk/ durch das Kreuz/ in ihren Eingeweiden ertränkt es/ die heilige Rebellion/ des Lichts“, heißt es da zum Beispiel auf Spanisch.

Die Gedichte, Zeitungsseiten aus der Zeit oder die Namen der ausgestellten Werke bekommt man nur in Originalsprache zu lesen, also mal auf Katalanisch, mal auf Französisch oder Spanisch, die Erklärungen zu den Bildern hingegen ausschließlich auf Deutsch. Auffallend und bedauernswert ist bei der von Kurator Moritz Pankok und Sozialanthropologe Álvaro Garreaud kuratierten Ausstellung zudem, wie häufig auf den Tafeln Schreibfehler zu finden sind.

Auch ein aktueller Bezug wird bei „Días de Ira“ hergestellt. In „Horrores de la guerra“ (zu Deutsch: „Schrecken des Krieges“) von 1938 ist mit Tusche auf Papier genau das wiedergegeben, was man heute aus der aktuellen Kriegsberichterstattung aus der Ukraine kennt: Menschen, die sich in eine U-Bahn-Station flüchten, diese als Luftschutzbunker nutzen. Auch hier wieder alles in einem erzählerischen, dynamischen und agitatorischen Stil entworfen, der heute noch aktuell sein könnte in einer Graphic Novel. Diese Ausdrucksweise zieht sich durch Gómez’ Arbeit, nimmt je nach Jahr und Thematik auch mal expressionistische oder kubistisch Züge an.

Ein paar Plakate hingegen lassen sich fast schon dem sozialistischen Realismus zuordnen. So wie die aus der Reihe „Viva octubre – dessin sur la revolution espagnole“, die zwischen 1934 und 1936 entstand. Agitatorisch und einprägsam zeigt Gómez hier die skrupellosen Verbrechen der Franquisten an den Republikanern: Plünderungen, Erschießungen, Vergewaltigungen. Priester sind dabei, die selbst schießen und mit Nazis kooperieren.

Mit genug Hintergrundwissen ist die Ausstellung ein Zeitzeugnis und eine kommunistische Geschichtsstunde. Für eine geschichtliche Einordnung und etwas biografisches Hintergrundwissen sollte man, bevor man die Bilder im fünften Stock betrachtet, jedoch die Infowände im Eingangsbereich durchlesen. Die gibt es im eigentlichen Ausstellungsraum nicht.

„Días de Ira. Tage des Zorns.“ Stiftung Kai Dikhas, im Aufbauhaus am Mehringplatz, donnerstags bis samstags, 16 bis 19 Uhr, bis 29. Oktober 2022