Geschlechterforschung in Göttingen: Kastriert sich die Uni selbst?

Studierende befürchten, dass im Zuge von Mittel-Kürzungen der Studiengang Geschlechterforschung an der Universität Göttingen geschlossen wird.

Blick auf die Aula der Georg-August-Universität Göttingen

Die Georg-August-Universität Göttingen: Bald kein Ort mehr für Geschlechterforschung? Foto: dpa / Stefan Rampfel

GÖTTINGEN taz | Es könnte der Geschlechterforschung wie manch anderer geistes- und sozialwissenschaftlichen Einrichtung an der Göttinger Uni zuvor ergehen: Studierende befürchten, dass ihr Studiengang geschlossen werden soll. Sie versuchen das nun mit einer Petition abzuwenden.

Nach Ansicht der Fachgruppe Geschlechterforschung, die die Petition initiiert hat, ist der Studiengang bereits seit Jahren unterfinanziert. Anfang des Jahres hatte eine universitätsinterne Untersuchung ergeben, dass der Studiengang aufgrund mangelnden Lehrpersonals nicht weiter akkreditiert werden könne. Damit er nicht auslaufen muss, wurde der übergeordnete sozialwissenschaftliche Fakultätsrat aufgefordert, ein neues Konzept für den Studiengang vorzulegen.

Laut der Petition der Fachgruppe Geschlechterforschung befinden sich im sozialwissenschaftlichen Fakultätsrat allerdings Personen, die den Studiengang „am liebsten einstampfen wollen“. Auf Nachfrage der taz äußerten die Studierenden, prinzipiell sei niemand offen gegen die Geschlechterforschung – eine aktive Unterstützung fehle aber. Denn auch anderen Studiengängen drohen finanzielle Einbußen, es müsse um Gelder gekämpft werden. Da die Geschlechterforschung ein interdisziplinärer Studiengang ohne eigene Professur ist, hat sie im Fakultätsrat auf professoraler Ebene keine Vertretung.

Finanzielle Grundlage fehlt

Das Hauen und Stechen zwischen den Stu­di­en­gangs­ver­tre­te­r*in­nen ums Geld liegt an Vorgaben des Landes Niedersachsen: Das hatte den Universitäten in den Jahren 2020 und 2021 die Gelder gekürzt – in Göttingen um 6,2 Millionen Euro. Größere Studiengänge könnten Kürzungen leichter auffangen, sagt die Fachgruppe. Der Geschlechterforschung fehle dafür die finanzielle Grundlage.

Bereits Ende vergangenen Jahres bemängelte die Landesarbeitsgemeinschaft der Einrichtungen für Frauen- und Geschlechterforschung in Niedersachsen (LAGEN) die mangelhafte langfristige Finanzierung der Studiengänge in einem offenen Brief.

Eingerichtet wurde der Studiengang im Jahr 2000. Insgesamt sind im Bachelor etwa 200 Personen eingeschrieben, rund 40 Personen studieren im Masterstudium.

Deshalb fordert die Fachgruppe die Einrichtung einer eigenen Professur. „Wir brauchen unbedingt eine Professur, die fest an die Geschlechterforschung angegliedert ist und ihre Interessen vertritt“, sagt ein Mitglied der Fachgruppe. Aktuell hätten Studierende beispielsweise Probleme, eine Betreuung für ihre Abschlussarbeiten zu finden.

Ihre Forderungen richten die Studierenden dabei nicht nur an Fakultät und Universität, sondern ebenso an das Land. Es müsse sicherstellen, dass die Universität dem Auftrag zur Förderung der Frauen- und Geschlechterforschung auch nachkomme. Dieser Auftrag ist per Landesgesetz fest verankert. Würde jedoch auch das Land kein Interesse mehr am Erhalt des Studiengangs haben, könnte es den Auftrag fallen lassen.

Auftrag zur Förderung durch das Land Niedersachsen

Die Universitätsleitung gibt an, ihr seien keine geplanten Änderungen bei der Geschlechterforschung bekannt. Zu den Vorwürfen einer bereits seit Jahren bestehenden Unterfinanzierung äußert sie sich auf Nachfrage nicht.

Bereits in den vergangen Jahren beschloss die Göttinger Uni das Aus verschiedener Studiengänge und Institute – so etwa des geisteswissenschaftlichen Lichtenberg-Kollegs oder des kultur- und sprachwissenschaftlichen Studiengangs Finno-Ugristik. Der Fakultätsrat will Ende Juli über die Zukunft der Geschlechterforschung entscheiden.

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