Malischer Sänger Ag Kaedy: Die Karawane zieht weiter

Mali trifft Deutschland: Wüstenfuchs-Sänger Ag Kaedy trifft in dem Album „Tartit“ auf die Berliner Jazzcombo Onom Agemo

Ahmed Ag Kaedy ganz links, mit den fünf Musikern der Berliner Band Onom Agemo

Ahmed Ag Kaedy ganz links, mit den fünf Musikern der Berliner Band Onom Agemo Foto: Agogo Records

Ahmed Ag Kaedy hat das Gewehr mit der Gitarre getauscht. Mit 18 ging der junge Mann aus der Wüstenstadt Kidal im Nordosten Malis für militärisches Training in das Libyen zu Zeiten Muammar al-Gaddafis. Eigentlich wollte er nie Soldat werden, er tat das, um später für die Unabhängigkeit seines Volkes, der Tuareg, zu kämpfen. Fast ein Jahr lang lernte er in Libyen den Umgang mit Gewehren und Granaten, aber eben auch mit der Gitarre.

Eine Art persönlicher Erweckungsmoment für den 1979 geborenen Ag Kaedy, der sich längst vom bewaffneten Krieger zum künstlerischen Kämpfer für Freiheit und soziale Gerechtigkeit gewandelt hat. Er gründete die Band Amanar, die, ähnlich wie die bekannteren Desert-Rock-Formationen Tamikrest, Tinariwen und Bombino die musikalische Tradition der Touareg mit den Einflüssen westlicher Rockmusik à la Jimi Hendrix und Carlos Santana verbindet.

2012 musste Ag Kaedy aus Kidal fliehen. Im Titelsong „Tartit“ auf dem gleichnamigen neuen, zusammen mit der Berliner Band Onom Agemo entstandenen Album besingt er seine Heimatstadt mit kehliger Stimme als „Tochter Bagdads, im Krieg seit ihrer Geburt“. Die in Mali herrschenden selbsternannten Gotteskrieger der islamistischen Terrorgruppe Ansar Dine hatten sein Equipment zerstört und gedroht ihm die Finger abzuschneiden.

Zurück nach Kidal in Mali

Heute lebt der Tuareg mit seiner Familie trotzdem wieder dort, in teils traditioneller nomadischer Lebensweise mit eigenen Tieren. Zum Musikmachen aber, für Konzerte oder Aufnahmen, muss er in die malische Hauptstadt Bamako reisen oder ist international unterwegs. Das berichtet der groß gewachsene Mann mit dem weißen Turban und den feingliedrigen Fingern beim Interview im Innenhof eines Bremer Hotels. Am Abend zuvor hatten der Gitarrist und die Musiker von Onom Agemo bei einem Open-Air-Konzert die neuen Songs vorgestellt.

„Tartit“ heißt so viel wie „Einheit“ in der Tuareg-Sprache Tamasheq. Der Begriff steht für den Wunsch Ag Kaedys und der Berliner nach einer gemeinsamen musikalischen Sprache, gegenseitiger Inspiration und offener transkontinentaler Begegnung. Das Quintett Onom Agemo um den Saxofonisten und Flötisten Johannes Schleiermacher ist eine der kundigsten Formationen, die sich mit verschiedenen Ausprägungen afrikanischer Musik beschäftigen, ohne dabei „Weltmusik“-Klischees zu bedienen.

In ihrer Musik trifft westafrikanische Polyrhythmik auf marokkanischen Gnawa-Trance, synkopische Funkbeats mischen krautrockig blubbernde Synthesizer auf. 2016 haben sich die Musiker der Band und Ahmed Ag Kaedy bei der Premie­re des Dokumentarfilms „Mali Blues“ kennengelernt. Darin wird das Alltagsleben von Mu­si­ke­r:in­nen wie Ag Kaedy, Fatoumata Diawara und Bassekou Kouyaté unter dem Regime der Islamisten porträtiert. Nach den ersten Treffen in Berlin entstand das Live-Projekt Orion Congregation, 2018 erschien die Single „Odin Okalan“ (deutsch: Bewusstwerdung).

„Tartit“ ist das erste gemeinsame Werk, auf dem der beschwörende Gesang und die staubtrockenen Gitarrenriffs von Ag Kaedy mit dem psychedelisch-spacejazzigen Klangteppich der Band zusammenfinden. Der Groove erinnert bisweilen an eine unbeirrt vorwärtsstrebende Karawane – was die Musiker auch selber als Einfluss nennen.

„Ahmeds Stücke öffnen musikalische Räume, die durch Repetition sehr hypnotisch, aber nicht statisch sind“, erklärt Johannes Schleiermacher. Für Ag Kaedy sind es „die Energie und der Fokus, den Onom Agemo meiner Musik verleihen. Es geht darum, verschiedene Horizonte neu zu verbinden. Das ist wie Unterricht für die Band und für mich“.

Poetisch und politisch

Die Texte des Sängers sind gleichermaßen poetisch und von politischer Dringlichkeit. Besonders eine Zeile im Song „Tanakra“ fällt auf: „I would prefer the oppression of dictatorship to that of permanent racism“. Eine sicherlich streitbare Haltung zur Frage politischer Stabilität versus Demokratiedefizit.

Ag Kaedy & Onom Agemo: „Tartit“ (Agogo Records/Studio!K7/ Indigo)

Ag Kaedy erklärt dazu, dass es vor den jüngsten Umstürzen durch das Militär trotz teils repressiver gesellschaftlicher Bedingungen einfacher gewesen sei, als Musiker und als Tuareg in Mali zu leben. Aktuell gebe es wegen der unsicheren Lage zunehmend Spannungen auch unter den verschiedenen Ethnien. Die Tuareg würden als schlechte Muslime und Rebellen gebrandmarkt.

Die schlimmsten Feinde aber, diagnostiziert Ahmed Ag Kaedy im Song „Kidal“ über seine Heimatstadt, seien trotz aller Interventionen westlicher und östlicher Mächte die Lebensbedingungen in der Region. „The worst of our enemies is the lack of water and equipment.“

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