Rezeption der Frauen-EM: Popp-Kultur und der echte Fußball

Für fußballspielende Frauen war lange nicht mehr als ein Platz am Katzentisch reserviert. Eine EM lang waren sie nun Mainstream – gut so?

Alexancdra Popp wird von ihren Mitspielerinnen gefeiert.

Populäre Popp – nicht nur ihre Kolleginnen feiern die Stürmerin der DFB-Auswahl Foto: reuters

Heute Morgen habe ich nachgeschaut, was ein DFB-Trikot von Lena Oberdorf kostet. Vielleicht gefällt mir die Idee, am Sonntag damit draußen gucken zu gehen. Vielleicht will ich auch, dass der DFB merkt, dass die Frauen mir was wert sind. Dann sehe ich, dass mich das Trikot 108 Euro kosten wird. Das entspricht exakt einer Jahreskarte der teuersten Kategorie bei Turbine Potsdam. Ich schätze, das Trikot ist dieses Ding, was sie Gleichberechtigung nennen. Ich kaufe es nicht. Ich kaufe stattdessen was beim Bäcker am Bahnhof, er hat Fußballbrötchen. Da ist mir klar: Jetzt haben die Frauen es geschafft.

Fußballspielende Frauen haben eine merkwürdige Entwicklung genommen: erst selbstverständlich, dann Outlaws und Gegenkultur, dann Katzentisch. Nun sind sie Popp-­Kul­tur. Dass noch niemand vor mir auf das Wortspiel gekommen ist. Vielleicht sollte ich Shirts mit „Wir sind jetzt Popp-Kultur“ verkaufen, 107,99 Euro sind sicher okay.

Ohh, Baby Yoda!

Nach einer Podcast-Aufzeichnung zur Männer-Bundesliga quatschen wir darüber, wie wohl im Halbfinale Wendie Renard zu überlisten ist und wie man die Vertikalpässe der französische Offensive stoppt. So müssen sich „Star Wars“-Fans gefühlt haben, als Disney übernahm. Und plötzlich quietscht die Öffentlichkeit: Ohh, Baby Yoda! Ich denke, es ist gut, dass Frauenfußball für diesen Moment Popkultur geworden ist.

Uefa und Medien haben dieses Turnier groß gemacht, aber nicht größer, als sie halten konnten. Im Mainstream liegt eine große Kraft. Das Problem ist nicht Populärkultur, sondern, was diese Populärkultur ist. Der kommerzielle Verbandsfußball mit Sieg und Niederlage, den alle für „den Fußball“ halten, den sie laut beklagen und zugleich verbissen verteidigen. Mit dem Aufstieg des Frauenfußballs könnten sie doch begreifen, wie fluide die Idee vom echten Fußball ist. Tun sie nicht.

Und so schweifen die Gespräche ab. Hin zur neuen Saison (der Männer), Groundhopping (bei den Männern), der Krise des Fußballs (der Männer), Fanboy-Kram. Einer im Podcast belehrt mich, dass „die Leute“ eben einfach den bestehenden Fußball und dabei Männerfußball sehen wollen, „auch die Frauen“. Danke für die Info.

Ich schätze, das muss ein ähnliches Naturgesetz sein wie jenes, dass die Leute Baby Yoda lieben. Mit marktführenden ­Playern, Gewohnheiten, Macht, Merchandise, Kapitalismus und Sichtbarkeit hat es sicher nichts zu tun. Trotzdem und deswegen wird es ein großes Spiel werden in Wembley.

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Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum, Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen zum Beispiel im Fußball und übers Reisen. 2018 erschien ihr Buch "Wir sind der Verein" über fangeführte Fußballklubs in Europa. Erzählt von Reisebegegnungen auch auf www.nosunsets.de

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