Streik bei Tochter von Delivery Hero: Militärputsch in Myanmar genutzt

In Myanmar rufen streikende Fahrer des Lieferdienstes Foodpanda zum Boykott ihres Unternehmens auf. Das gehört dem Berliner Konzern Delivery Hero.

Pinkfarbener Transporrtbehälter des Panda-Lieferdienstes,2 Fahrer von hinten aufgenommen

Bis zu zwei Drittel weniger Entgelt und schlechtere Arbeitsbedingungen: Foodpanda-Fahrer Foto: Lim Huey Teng/reuters

BERLIN taz | In Myanmar streiken Fahrer des Lieferdienstes Foodpanda nach eigenen Angaben seit dem 6. Juni. Es ist dieses Jahr ihr zweiter Streik. Inzwischen rufen sie zum Boykott von Foodpanda auf.

Der in Asien und Europa aktive Lieferservice für Mahlzeiten und Lebensmittel, den es unter diesem Namen in der zweiten Jahreshälfte 2021 auch in Deutschland gab, gehört seit 2016 zum betriebsratsfeindlichen Berliner Konzern Delivery Hero. Diese auf dem Heimatmarkt nur noch mit dem Lieferservice Gorillas aktive Aktiengesellschaft ist einer der weltgrößten Plattformbetreiber für Lieferdienste. Seit Gründung 2011 verfolgt Delivery Hero eine aggressive globale Wachstumsstrategie, nicht selten auf Kosten der Fahrer und wenigen Fahrerinnen.

In Myanmar ist Foodpanda seit 2019 aktiv. Bis zum Ausstand arbeiteten dort laut dem Streikkomitee 8.000 Fahrer für die Firma. Sie wehren sich dagegen, dass die Lieferentgelte um die Hälfte bis zu zwei Dritteln gekürzt wurden. Auch würden Entfernungspauschalen per Luftlinie und nicht real über die Straßen etwa per Google Maps berechnet, was die Bezahlung verringere.

Bestellungen werden in der Metropole Yangon, wo Motorräder und E-Bikes verboten sind, per Fahrrad ausgefahren, in rund 20 anderen Städten motorisiert. Die „Rider“ müssen für ihre Fahrzeuge selbst aufkommen und sich an den Kosten für Transportbehälter, Helm, Regenschutz und Dienstkleidung beteiligen. Auch müssen sie sich selbst versichern.

Plattformökonomie

Offiziell sind sie keine Angestellten, sondern auf eigenes Risiko arbeitende Vertragspartner. Doch sind sie an den Lieferdienst gebunden. „Foodpanda hat die politische und wirtschaftliche Situation in Myanmar nach dem Militärputsch ausgenutzt und die Bezahlung der Fahrer stark reduziert“, schreibt Maung Maung Oo, der Sprecher der Streikenden, in einer E-Mail an die taz. Dabei hatte auch Foodpanda unter der zunächst nach dem Putsch verhängten Internetsperre gelitten.

Nach einer weiteren Entgeldsenkung hatte am 16. März der erste Streik begonnen. Er hatte laut Streikkomitee großen Rückhalt unter den Fahrern. Bei Verhandlungen mit dem Management wurde eine Einigung erzielt, doch laut den Streikenden hielt sich die Firma nicht daran. Als Fahrer am 21. März vor dem Firmensitz in der ehemaligen Hauptstadt Yangon protestieren wollten, nahmen Kräfte der Militärjunta sie vorübergehend fest. Sie wurden in einem Fußballstadion verhört, wie der Nachrichtendienst Burma News International unter Berufung auf Augenzeugen berichtete.

Der Einfluss der Junta

Myanmars Militär hatte am 1. Februar 2021 die gewählte Regierung unter Aung San Suu Kyi gestürzt. Inzwischen versucht das Militär, alle Proteste gewaltsam zu unterdrücken. Die Junta zwang die Fahrer von Foodpanda zu neuen Verhandlungen. Doch konnte keine Einigung erzielt werden, weshalb seit dem 6. Juni wieder gestreikt wird, begleitet von Boykottaufrufen. Es beteiligen sich weniger Fahrer als zuvor – aus Angst vor Verfolgung durch die Junta und weil sich immer weniger einen Streik leisten können. Einige Streikführer wurden laut den Fahrern aus Foodpandas elektronischem System ausgesperrt, womit sie dort nicht mehr arbeiten können.

Die Auswirkungen von Streik und Boykottaufruf sind schwer messbar, räumen die Streikenden ein. Nicht wenige hätten inzwischen den Job aufgegeben. Die Berliner Zentrale von Foodpanda ließ Anfragen der taz unbeantwortet. Delivery Hero erklärte nur, man gebe keinen Kommentar ab. Beide Firmen sind bekannt dafür, bei Arbeitskonflikten sich eher zurückzuziehen und Tochtergesellschaften zu schließen, als Fahrern mehr Geld und bessere Bedingungen zu bieten.

Doch gab es auch den Fall Thailand. Dort hatte Foodpanda in einem Tweet Protestierende als „Terroristen“ bezeichnet und damit Boykottaufrufe ausgelöst. Die Firma musste schließlich nachgeben und entschuldigte sich sogar. „Wir sind uns bewusst, dass Foodpanda sein Geschäft hier ganz aufgeben kann,“ sagt Streiksprecher Maung Maung Oo. „Wir hoffen, mit Hilfe der Kunden eine bessere Bezahlung und faire Behandlung durchsetzen zu können. Andere Lieferdienste zahlen besser, haben hier aber nur einen kleinen Marktanteil. Wir glauben, Foodpanda kann sich höhere Entgelte leisten.“ Denn der Lieferdienst habe von der Pandemie profitiert.

Mitarbeit: Kyaw Soe

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