Klima-Protestcamp in Hamburg: Essen, Trinken, Zelten verboten

Die Hamburger Polizei hat ein Protestcamp von Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen faktisch untersagt. Dabei sind diese von der Versammlungsfreiheit geschützt.

Polizisten tragen Zelte weg

Die Hamburger Polizei verbietet ein Protestcamp? Das kennt man schon vom G20-Gipfel 2017 Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

HAMBURG taz | Ein für kommende Woche geplantes Protestcamp von Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen ist von der Hamburger Polizei faktisch untersagt. Das „System Change Camp“ soll vom 9. bis 15. August stattfinden, um gegen die Klimakrise und das aus Sicht der Ak­ti­vis­t*in­nen dafür verantwortliche kapitalistische Wirtschaftssystem zu protestieren. Doch sperrt sich die der Polizei angegliederte Versammlungsbehörde gegen das Vorhaben, das Camp im Hamburger Stadtpark stattfinden zu lassen. Nun versuchen die Ak­ti­vis­t*in­nen in einem Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht, gegen die Entscheidung vorzugehen. „Das Camp ist nach wie vor geplant“, sagt Charly Dietz, Sprecherin des Camp-Bündnisses.

Organisiert wird das Camp von mehr als 30 Bünd­nis­part­ne­r*in­nen, unter anderem die Klima- und Umweltgruppen „Ende Gelände“, „Extinction Rebellion“ und die Jugendorganisation des BUND. Neben klimapolitischen Gruppen rufen mittel- und südamerikanische Ak­ti­vis­t*in­nen sowie antimilitaristische Gruppen zur Teilnahme auf. Auch die linksradikalen Bündnisse „Ums Ganze!“ und die „Interventionistische Linke“ sind dabei. „Auf dem ‚System Change Camp‘ wollen wir unterschiedliche Perspektiven und Kämpfe zusammenführen, um voneinander und miteinander zu lernen. Nur so schaffen wir ein Klima der Gerechtigkeit und Solidarität.“, sagt Dietz.

Neben Workshops im Camp sind verschiedene Aktionen in Hamburg geplant. Als Auftakt soll am kommenden Mittwoch eine Demonstration ­stattfin­den. Darüber hinaus soll es weitere Aktionen in und um ­Hamburg geben. Das ­Bündnis ‚Ums Ganze!‘ ruft „zum kollektiven Widerstand in Form der gezielten Unterbrechung von Lieferketten im Hamburger Hafen“ auf. Ziel sei es auch, an ­mehreren Hamburger Orten ein Zeichen gegen die ­Ausbeutung der Natur und die ­„neokoloniale Ausbeutung“ zu setzen, sagt Dietz.

Die anreisenden Ak­ti­vis­t*in­nen sollten im Camp in Zelten übernachten können und mit Essen und Wasser versorgt werden. Die Versammlungsbehörde hatte jedoch am vergangenen Freitag entschieden, das Camp nach Altona zu verlegen. Das bedeutet eine Verkleinerung der Fläche um die Hälfte. Zudem dürfen die Ak­ti­vis­t*in­nen nicht in Zelten übernachten und die Or­ga­ni­sa­to­r*in­nen weder Essen noch Trinkwasser bereitstellen. „Die Leute müssen schlafen und essen“, sagt Dietz. „Wir können nicht erwarten, dass alle sich ein Hostel buchen.“ Die Ver­an­stal­te­r*in­nen erwarten bis zu 6.000 Aktivist*innen.

Protestcamps fallen unter die Versammlungsfreiheit

„Es war nicht abzusehen, dass die Einschränkung des Camps so drastisch ausfallen würde“, sagt die Sprecherin. Überraschend käme die Entscheidung für die Ak­ti­vis­t*in­nen vor allem deshalb, weil das Bundesverwaltungsgericht erst im Mai in einem Grundsatzurteil festgestellt hatte, dass Protestcamps unter die Versammlungsfreiheit fallen, sagt Dietz.

Die Polizei gibt an, dass die Wahl des alternativen, kleineren Standorts des Camps und die Einschränkungen der Infrastruktur auf Basis von „Grundrechtsabwägungen mit anderen Gütern“ geschehen sei. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist laut Polizei Hamburg „jedenfalls nicht vollumfänglich auf den vorliegenden Einzelfall übertragbar“.

Das Hamburger Verwaltungsgericht war jedoch bereits Anfang Mai zu einem ähnlichen Urteil gelangt wie das Bundesverwaltungsgericht: Die polizeiliche Blockade und anschließende Räumung des Protestcamps, das während des G20-Gipfels 2017 auf der Elbinsel Entenwerder stattfinden sollte, war rechtswidrig.

Damals hatte sich die Polizei mit der Räumung des Camps explizit gegen einen Entschluss des Hamburger Verwaltungsgerichts gestellt. Dieses hatte zuvor entschieden, das Protestcamp dürfe vorläufig aufgebaut werden. Camp-Anwalt Martin Klinger sprach damals von einem „Putsch der Polizei gegen die Justiz“, wie die taz berichtete. „Es ist bezeichnend, dass das schon wieder in Hamburg passiert und versucht wird, ein ähnliches Verbot durchzudrücken“, sagt auch Camp-Sprecherin Dietz.

Die Hamburger Linkspartei zeigt sich über die Entscheidung der Versammlungsbehörde empört. Stephan Jersch, umweltpolitischer Sprecher der ­linken Bürgerschaftsfraktion, kritisiert die polizeiliche Ignoranz der Gerichtsurteile: „Uns allen ist die rechtswidrige Verweigerung des Camps in Entenwerder während des G20-Gipfels noch in schmerzlicher Erinnerung. Es ist unglaublich, dass weder die Polizei noch der Innensenator Andy Grote daraus etwas gelernt haben und weiterhin auf eine autoritäre Verbotspolitik setzen.“ Wann mit einer Entscheidung im Eilverfahren zu rechnen ist, ist unklar.

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