Zum Tod von Bill Russell: Unbeugsamer Riese

Er war der wohl größte Basketballer aller Zeiten und dazu ein kompromissloser Kämpfer gegen Diskriminierung. Nun ist Bill Russell mit 88 Jahren gestorben.

Ehrung im Weißen Haus: Bill Russell (r.) und Barack Obama haben im Jahr 2011 Spaß.

Ehrung im Weißen Haus: Bill Russell (r.) und Barack Obama haben im Jahr 2011 Spaß Foto: ap

Einer der ersten, der seiner Trauer Ausdruck verlieh, war ein gewisser Barack Obama. „Heute“, twitterte der ehemalige US-Präsident, „haben wir einen Giganten verloren“. Er sollte nicht allein bleiben: Medienpersönlichkeiten, Prominente und Politiker, natürlich unzählige Sportler hatten das dringende Bedürfnis, sich öffentlich von Bill Russell zu verabschieden.

Russell, der am Sonntag im Alter von 88 Jahren verstorben ist, war mehr als einer der besten Basketballspieler aller Zeiten. Er war sogar mehr als bloß der „Ultimative Gewinner“ – ein Ehrentitel, den er sich mit zwei College-Meisterschaften, einem Olympiasieg und elf NBA-Titeln verdient hatte. Russell war ein Aktivist, der während und nach seiner aktiven Zeit seine Berühmtheit nutzte, um gegen Rassismus und soziale Ungerechtigkeiten zu kämpfen – und dafür lange Zeit nicht immer wohlgelitten war bei weißen Basketballfans.

Davon war in den vergangenen Tagen nicht mehr die Rede. Überall wurde Russell, der erfolgreichste Basketballer aller Zeiten, gewürdigt. Dabei gewann Russell nicht, weil er besonders viele Punkte erzielte, sondern weil er ein überragender Defensivstratege war. Mit seinen 2,08 Meter verbreitete der Center Furcht und Schrecken unter den Körben, sodass die Boston Celtics in den 13 Jahren, die Russell für sie aktiv war, dominierten.

Aber es waren die 50er- und 60er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Selbst Sporthelden hatten in den USA damals noch mit unverhohlenem Rassismus zu kämpfen, wenn sie schwarz waren. Russell wuchs auf in Louisiana, wo die Rassentrennung noch nicht in Frage gestellt wurde. Zwar zog seine Familie, als Bill 12 Jahre alt war, ins progressivere Kalifornien, aber vor allem wenn Russell mit seinem Collegeteam auswärts spielte, holte ihn der Rassismus wieder ein. Er und seine schwarzen Mitspieler wurden von den Rängen beschimpft, sie bekamen kein Zimmer im Hotel.

Elfmaliger Meister

All das wurde kaum besser, als Russell zum Profi wurde und zusammen mit dem legendären Trainer und Manager Red Auerbach die bis dahin mediokren Celtics zu einer Siegesserie führte, wie es sie noch nie gab und niemals wieder geben wird. Die elf Titel von 1956 bis 1969 bleiben eine einmalige Leistung, auch wenn man bedenkt, dass die Liga zu Beginn dieser Zeit nur aus acht Teams bestand und das Niveau niedriger war als heute. Russell, der zudem noch fünf Mal zum besten Spieler der Liga gewählt wurde, und Auerbach machten die Celtics erst zu dem ikonischen Klub.

1966 beschloss Auerbach, sich aufs Management der Celtics zu konzentrieren und berief Russell zum ersten schwarzen NBA-Chefcoach. Als Spielertrainer holte Russell seine beiden letzten Titel, aber sein Verhältnis zu den Fans in Boston war nicht ungetrübt. In seiner Autobiografie berichtet er, dass er selbst von den eigenen Anhängern rassistisch angegriffen wurde, mit der Lokalpresse lag er in einem ständigen Kleinkrieg.

Als er und weitere schwarze Profis 1961 ein Testspiel in Kentucky boykottierten, weil sie in einem Café nicht bedient worden waren, wurde Russell in Boston nicht mit Jubel begrüßt, sondern kritisiert. Das gespannte Verhältnis zu den Fans kulminierte in einem Einbruch in seinem Haus: Die Eindringlinge hinterließen rassistische Schmierereien an den Wänden und Exkremente.

Mit den Jahren wurde Russell immer sensibler, was Rassismus anging und engagierte sich auch politisch, marschierte an der Seite von Martin Luther King, unterstützte die Black-Power-Bewegung sowie Muhammad Ali, als der die Einberufung in die Armee verweigerte. Das FBI beobachte Russell, in seiner Akte stand, er sei „ein arroganter N…, der weißen Kindern keine Autogramme gibt“.

Das Verhältnis zwischen Boston und Russell blieb auch Jahrzehnte nach seinem Rücktritt gestört. Offiziellen Terminen blieb er fern, sogar seine Aufnahme in die Hall of Fame boykottierte er. Erst in den letzten Jahren zeigte sich ein ergrauter, milde gewordener Bill Russell wieder öfter in Boston und versöhnte sich mit der Stadt, auch wenn er der Kämpfer mit großem Sinn für Gerechtigkeit blieb.

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