Die Wahrheit: Lange Nächte, kurze Röcke

Erst seit 20 Jahren dürfen Frauen in irische Pubs. Und erst Jahre später konnten sie sich dort auch ein Pint über den Knorpel gießen.

Vorige Woche ging es an dieser Stelle um englische Frauen, die sich mithilfe von Gerichtsurteilen den Weg zum Tresen bahnen mussten. Die Irinnen hatten es früher besser – bis die Engländer die Insel kolonisierten.

Im 7. Jahrhundert entstand in Irland ein keltisches Rechtssystem, die „Brehon Laws“, das in vieler Hinsicht fortschrittlicher war als das heutige System. Es basierte auf Geldstrafen. Polizei oder Gefängnisse gab es nicht, die Strafen wurden von der Gesellschaft durchgesetzt. Frauen durften dieselben Berufe wie Männer ergreifen – bis hin zur Königin. Auch in der Ehe waren sie gleichberechtigt. Sie behielten ihr Eigentum, das sie mit in die Ehe gebracht hatten, sie konnten sich scheiden lassen, und Vergewaltigungen in der Ehe wurden bestraft.

Dann, im 12. Jahrhundert, fielen die Normannen von der Nachbarinsel in Irland ein und machten den keltischen Traditionen den Garaus. Das Haus gehörte nun dem Ehemann, er konnte es eigenmächtig verkaufen, und nur er konnte sich scheiden lassen. Als es den öffentlichen Dienst gab, verloren Frauen am Tag ihrer Hochzeit den Job, denn fortan gehörten sie an den Herd. Erst 1976 wurden die entsprechenden Gesetze geändert.

Einzig ein englisches Gesetz von 1872, das nur in Irland galt, war von Vorteil: Demnach musste jedes Wirtshaus nach dem Eigentümer benannt werden. Das ersparte den Iren dusselige Namen, wie sie in England üblich sind: The Drunken Duck, My Father’s Moustache oder The Swan With Two Necks.

Zwar war es irischen Frauen schon in den sechziger Jahren nicht mehr verboten, Pubs zu betreten, aber der Wirt durfte ihnen den Zugang verwehren. Und viele Wirte taten das auch. Ein Kneipier in Waterford hatte das Verbot bis zu seinem Tod 2003 aufrechterhalten. Seine Begründung: „Schwache Frauen, starke Getränke, lange Nächte und kurze Röcke sind eine schlechte Kombination.“

Leichen hatten es einfacher: Sie mussten ins nächste Wirtshaus geschafft und vorübergehend im kühlen Bierkeller gelagert werden, damit sie nicht so schnell verwesten. Das Gesetz wurde erst 1962 aufgehoben. Noch später, nämlich 2002, trat ein Gesetz in Kraft, wonach Frauen der Zutritt zu Pubs nicht mehr verwehrt werden durfte. Aber man durfte ihnen ein Pint – ein großes Bier – verweigern, weil das „unweiblich“ war.

Gegen diese Praxis nahm meine Schwägerin den Kampf auf. Sie ging mit zehn Leuten in die verschiedenen frauenfeindlichen Pubs, bestellte zehn Irish Coffee, und nachdem die zubereitet waren, bestellte sie für sich selbst ein Pint Guinness. Die Wirte bedauerten: Frauen bekämen keine Pints. Das sei aber schade, meinte die Schwägerin und verließ mit ihren zehn Freunden die Läden. Die Wirte blieben mit den Heißgetränken zurück und gaben alsbald den Widerstand gegen die Pints für Frauen auf.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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