Debatte um Deutsche Wohnen Enteignen: „Überhöhte Mieten werden abgesenkt“

Rouzbeh Taheri weist den Vorwurf der Täuschung durch DW Enteignen zurück. Durch die Vergesellschaftung würden viele Mieten sinken, niedrige blieben stabil.

Menschen in Westen und mit Fahnen der Kampagne DW Enteignen

Fühlen sich nicht getäuscht: Kampagnenmitglieder von Deutsche Wohnen & Co Enteignen Foto: imago stock

taz: Herr Taheri, in einer Anhörung der Enteignungskommission haben Sie gesagt, dass die Mieten nach der Vergesellschaftung nicht flächendeckend sinken würden. Nun wird Ihnen von manchen Medien und der Opposition Wählertäuschung vorgeworfen, weil „Deutsche Wohnen & Co enteignen!“ genau damit geworben hat. Haben Ihre Kri­ti­ke­r*in­nen recht?

Rouzbeh Taheri: Wir haben immer gesagt, dass in den vergesellschafteten Beständen die überhöhten Mieten abgesenkt werden können. Dabei bleibt es. Das betrifft schätzungsweise mehr als die Hälfte der Wohnungen der großen privaten Konzerne. Daneben gibt es aber auch noch einen Anteil von Wohnungen, deren Mieten nicht überhöht sind. Diese Mieten werden eingefroren. Von daher können wir eben nicht sagen, dass es Mietsenkungen flächendeckend geben wird. Es ist aber schon interessant, dass FDP und CDU, die beide gegen den Mietendeckel geklagt haben und seit jeher gegen jegliche Mietsenkungen sind, sich jetzt darüber beschweren, dass wir die Mieten nicht flächendeckend, also nicht für jede Wohnung und nicht genug, senken würden. Das ist ein absurder Vorwurf.

Im Informationsblatt zum Volksentscheid stand, die Anstalt öffentlichen Rechts, in die die Wohnungen nach der Vergesellschaftung überführt werden sollen, „senkt die Mieten“. Muss man das nicht als allgemeine Aussage verstehen?

48, war Sprecher der Kampagne „Deutsche Wohnen & Co enteignen!“. Im Juni nahm er als Experte an der Anhörung der Vergesellschaftungskommission teil. Seit Januar ist er Verlagsleiter der Genossenschaft der Tageszeitung „nd“.

Um wie viel die Mieten bei wie vielen Wohnungen sinken werden, muss noch ausgerechnet werden, individuell für jede Wohnung. Wir kennen ja gar nicht die einzelnen Miethöhen bei den Immobilienkonzernen, sondern nur die durchschnittlichen Mieten. Wenn man diese mit denen der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften vergleicht, können wir von einer durchschnittlichen Absenkung von mindestens 20 Prozent ausgehen. Bei den Sozialwohnungen von Vonovia und der „Deutsche Wohnen“, bei denen die Mieten noch günstig sind, ist eine Mietsenkung aber nicht erforderlich. Hier ist dagegen die Zusicherung wichtig, dass die Mieten nicht angehoben werden, wenn sie aus der Sozialbindung herausfallen.

Auf der Website Ihrer Initiative ist davon die Rede, dass Mieten auf 3,70 Euro pro Quadratmeter sinken können. Ist das Wunschdenken?

Wir hatten ausgerechnet, was für die ärmeren Teile der Bevölkerung eine leistbare Miete ist, damit sie nicht mehr als 30 Prozent ihres Einkommens für die Nettokaltmiete zahlen müssen. Das waren zum Zeitpunkt der Berechnung vor drei Jahren 3,70 Euro. Seitdem hat sich die Einkommenssituation verändert, die aktuelle Zahl muss neu berechnet werden. Klar ist, dass wir die Mieten für alle so gestalten wollen, dass die Mie­te­r*in­nen sie auch bezahlen können.

Was sind denn die Hebel, die es überhaupt erlauben können, zumindest einen Teil der Mieten nach der Vergesellschaftung zu senken?

Der große Hebel ist, keine Dividende mehr zu zahlen. Über 40 Prozent der Einnahmen aus den Mieten der Konzerne fließen direkt an die Aktionär*innen. Wenn man die nicht mehr zahlen muss, hat man nicht nur die Möglichkeit, Mieten zu senken, sondern auch, die Instandhaltung zu gewährleisten und die Menschen, die dort arbeiten, nach Tarif zu bezahlen.

In der Anhörung sagte Harald Simons vom Forschungsinstitut Empirica, dass es bei den Wohnungen der Konzerne keine großen Profitmargen gebe, sondern sie ihren Gewinn vor allem aus der Höherbewertung ihrer Bestände ziehen würden.

Es ist richtig, dass ein Großteil der Gewinne der Konzerne aus der Spekulation auf zukünftige Werte der Wohnungen realisiert wird. Anders als diese Gesellschaften müssen wir bei der Anstalt öffentlichen Rechts aber gar nicht solche Gewinne erwirtschaften. Der sogenannte operative Gewinn reicht aus, um Mietensenkungen zu gewährleisten und auch andere Dinge zu finanzieren. Voraussetzung dafür ist aber, dass keine absurd hohen Entschädigungen für die Vergesellschaftung bezahlt werden, damit die Anstalt nicht mit hohen Kreditzahlungen belastet wird.

Unklar in der Debatte um den Begriff „flächendeckend“ ist auch, ob nur in den vergesellschafteten Beständen Mieten sinken können oder es auch Effekte für die anderen Wohnungen gibt.

Durch den Mietspiegel wirken gesenkte oder eingefrorene Mieten auf die Bestände außerhalb der vergesellschafteten Wohnungen. Das hat man bei dem kurzlebigen Mietendekel gesehen. Als da bei einem Teil der Wohnungen Mieten gesenkt wurden und bei den meisten anderen nicht mehr anstiegen, ist der Mietspiegel ein Jahr lang nicht gestiegen und teilweise sogar gesunken. Das ist ein einmaliger Vorgang in den vergangenen Jahrzehnten. Wenn man also, so wie wir es vorhaben, bei 240.000 Wohnungen die Mieten senkt oder einfriert, wird das Auswirkungen auf die ganze Stadt haben.

Gibt es neben Mietsenkungen noch mehr Bereiche, für die Geld aufgewendet werden müsste?

Die Budgets für Instandsetzungen könnten höher angesetzt werden, damit Reparaturen schnell und zuverlässig gewährleistet werden. Das würde im Übrigen auch langfristig die Kosten für Modernisierungen, die die Mie­te­r*i­nnen zahlen müssen, senken. In der aktuellen Lage könnte unsere Anstalt ein freiwilliges Kündigungsmoratorium aussprechen, wenn Menschen ihre Energiekosten nicht zahlen können. Da braucht es keine gesetzliche Regelung, das könnte man selbst aussprechen. Auch Neubau könnte man anders betreiben, mit 100 Prozent bezahlbaren Wohnungen statt zu großen Teilen hochpreisigen Wohnungen, die von der Durchschnittsbevölkerung nicht zu bezahlen sind. Es ist also eine Menge möglich, nicht nur für die Mieter der vergesellschafteten Bestände, sondern für die ganze Stadtbevölkerung.

Wie bewerten Sie die große Aufregung um Ihre Aussage? Die CDU nimmt sie sogar zum Anlass, ein Ende der Arbeit der Enteignungskommission zu fordern.

Die CDU fordert seit vier Jahren nichts anderes: Die Kampagne zu stoppen, keinen Volksentscheid durchzuführen, den Entscheid nicht umzusetzen. Sie sind verzweifelt darüber, dass sie in der Berliner Bevölkerung keinerlei Vertrauen in der Mietenpolitik genießen und versuchen, sich an jedem Strohhalm festzuhalten. Insgesamt ist das eine Sommerlochdebatte. Wir sind aber zuversichtlich, dass die Ber­li­ne­r*in­nen sich davon nicht beirren lassen.

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