EM-Halbfinale gegen Frankreich: „Wir haben unsere Chance gespürt“

Verteidigerin Felicitas Rauch spricht über den neuen Teamgeist der Deutschen. Und über das EM-Halbfinale gegen Frankreichs Kadidiatou Diani.

Felicitas Rauch grätscht gegen Laura Wienroither

Die Defensive, hier Felicitas Rauch, wurde vom Sorgenkind zum Glanzstück Foto: Alessandra Tarantino/ap

taz: Frau Rauch, voraussichtlich spielen Sie im Halbfinale auf ihrer linken Abwehrseite gegen Diani, eine der auffälligsten Außenstürmerinnen in diesem Turnier. Bereiten Sie sich auf so eine Gegenspielerin besonders vor?

Felicitas Rauch: Unsere Video­analysten bereiten uns über eine App gezielt Daten von jeder Spielerin auf. Wir haben zusammen fast alle Spiele geschaut. Grundsätzlich hat man in den Spielen hier oder in der Champions League öfter schon Spielerinnen auf diesem Niveau verteidigen müssen, deshalb habe ich da echt Lust drauf und freue mich auf das Duell.

Hatten sie Diani schon mal als Gegenspielerin?

Nein, das wäre das erste Mal.

Was zeichnet Diani aus und worauf kommt es an, will man gegen sie bestehen?

Sie ist eine sehr athletische Spielerin, die ihren Körper sehr gut einsetzen kann, schnell ist, gute Technik hat, stark im Eins-gegen-eins ist. Es ist wichtig bei diesen Spielerinnen, mit dem Körper eng dran zu sein. Ich muss Diani die Lust am Spielen nehmen.

Das Videostudium hat dieses Mal nicht länger gedauert?

Ich bin jemand, der sich sowieso gerne vorab informiert. Deswegen ist der Zeitaufwand nicht größer gewesen. Grundsätzlich versuche ich mich aber auch auf mein Spiel zu konzentrieren. Dass ich vielleicht die ein oder andere Offensivaktion starten kann, damit sie auch mal verteidigen muss und mir mal hinterherrennen muss. Das ist auch unser Anspruch: Frankreich unser Spiel aufzudrücken.

Felicitas Rauch ist Verteidigerin und abseits des deutschen Nationalteams im Dress des VfL Wolfsburg unterwegs. In Wolfsburg spielt sie seit 2019 und holte zwei Meister­titel und drei Pokalsiege. Im DFB-Team hat sie seit 2015 24 Spiele bestritten. Bei der EM gehört sie zur Stammformation.

Ist es gegen Frankreich einfacher, mutig zu sein als gegen Spanien? Für dieses Spiel hatte man auch angekündigt, mutig zu sein. In der Realität tat sich das Team damit sehr schwer.

Mit deren Ballsicherheit und Passspiel kommst du häufig nicht in die Duelle, weil die Spanierinnen unglaublich gut sind, die Gegnerinnen laufen zu lassen. Aber gegen Frankreich erwartet uns von der Spielanlage ein Gegner, der uns vielleicht besser liegt und wir unser Spiel besser durchdrücken können.

Für Mut braucht es auch eine gewisse Mentalität. Welche Rolle spielt der psychologische Aspekt bei solchen Begegnungen mit geringerem Niveauunterschied?

Ich glaube schon, das sind so Kleinigkeiten, die auf dem Niveau einen Ausschlag geben können. Die Französinnen sind ja auch gesegnet mit ihrer natürlichen Arroganz, die sie manchmal ausstrahlen. Aber ich bin gespannt, wie das ist, wenn sie vielleicht mal zurückliegen. Diese Situation haben sie noch nicht erlebt. Klar, wir auch nicht, aber ich denke, dass viel mit Ausstrahlung, Lust und Energie zu tun hat.

Im Vorfeld der EM haben einige die Abwehr als Schwäche der Deutschen ausgemacht. Die Viererkette hatte in der Besetzung kaum zusammengespielt. Ohne Gegentreffer stellt das Team nun die beste Turnierabwehr. Warum klappt das so gut?

Das kam vermehrt von außen. Wir hatten intern nie das Gefühl, ein Problem zu haben. Dazu muss man nur auf die Qualität und die internationale Erfahrung der Spielerinnen schauen. Nur Marina [Hegering, Anm. d. Red.] hatte verletzungsbedingt etwas weniger Spielzeit. Klar, wie es letztlich harmoniert, weiß man nicht. Mein Zwischenfazit lautet: Es gibt nichts ­Schöneres, als mit diesen Fußballerinnen zusammenzuspielen.

Die Befürchtungen hatten mit den Ergebnissen vor der EM zu tun.

In der Saison hast du auch eine ganz andere Belastung. Die Spielerinnen vom FC Bayern und vom VfL Wolfsburg kommen alle aus einer Dreifach­belastung. ­Gefühlt haben wir nur Englische Wochen. Klar rotierst du dann viel durch, ­dadurch entstehen auch Abstimmungsfehler. Das ist völlig normal. Und jüngere Spielerinnen brauchen auch Einsatzzeiten, um Erfahrungen zu sammeln.

Neben der Defensive scheint eine weitere Stärke des Teams der Zusammenhalt zu sein. Im Vorfeld des Turniers, das ist ja auch in einem Film dokumentiert, hat es Probleme und Aussprachen gegeben. Was war der entscheidende Faktor für den Wandel?

Ich würde sagen, es kam mit der Lust auf das Turnier. Wir haben wirklich gemerkt, was für eine Chance wir auch haben. Klar, wenn du bei Spielen wie gegen Serbien deinem Anspruch hinterherläufst, macht das einen persönlich, aber auch eine Mannschaft unzufrieden. Wir sehen ja alle, was für ein Potenzial wir haben.

Wie kam der Umschwung?

Du verbringst in der Vorbereitung so viel harte Zeit auf dem Trainingsplatz zusammen, das schweißt auch zusammen. Im Trainingscamp in Herzogenaurach hatten wir noch einmal andere Gespräche führen können, was alles dazu führt, dass du merkst: Okay, hier tut sich gerade was. Hier gibt es keine Gruppenbildung, das habe ich selbst so krass auch noch nicht erlebt.

Sie sind schon seit 2015 im DFB-Team. Bei der Bundes­trainerin Martina Voss-Tecklenburg hat man den Eindruck, dass sie in der Lage ist, ihren Umgang mit dem Team zu ­verändern, wenn sie an Grenzen stößt. Unterscheidet sie das vielleicht von ihren Vorgängerinnen?

Mir persönlich ist wichtig, dass Trainer authentisch sind. Nur so können sie einen Draht zu den Spielerinnen haben. Auch Steffi Jones oder Silvia Neid, die viel Erfolg hatte, waren immer authentisch. Bei allem Misserfolg von Steffi war auch sie authentisch. Sie war sehr positiv in ihrer Art, hat dann aber vielleicht in dem Moment nicht zu der Mannschaft gepasst, zu dem, was das Team in dem Moment gebraucht hätte.

Bei Martina Voss-Tecklenburg passt es?

Bei Martina merkst du, wie viel Erfahrung sie zum einen als Spielerin, aber auch als Trainerin hat. Das ist natürlich generell ein Findungsprozess. Wir sind jetzt dreieinhalb Jahre zusammen. Man sieht, dass sich das erst über eine Zeit entwickeln muss. Gefühlt hat sich das jetzt zum richtigen Zeitpunkt gefunden.

Was beeindruckt Sie an dieser EM am meisten?

Die vielen Zuschauer jeden Spieltag. Aber auch, was wir aus den Medien in Deutschland mitbekommen. Du hast das Gefühl, dass endlich eine kleine Plattform geschaffen wird. Dass du die Möglichkeit hast, Kinder zu erreichen, Leute, die vielleicht vorher nicht so gerne Frauenfußball geschaut haben, und jetzt feststellen, was sich im physischen Bereich und taktischen Verständnis getan hat. Diese Leute für unsere Sache zu begeistern, macht uns mega­glücklich.

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